„Dallas“ brach wie ein Hurrikan über die Wohnstuben herein. Ein Stuttgarter Fanclub hat die Erinnerungen jetzt hochleben lassen.  

Stuttgart - In Texas ist bekanntlich alles einen Tick größer. Und was für Rinderherden und Ölbohrtürme gilt, schien in der Logik der Dallas-Serienproduzenten auch für Intrigen und das Ausmaß von Niedertracht zu gelten. Im Haifischbecken der Spekulanten und Schmierenkomödianten, Bestechungskünstler und Menschenverächter konnte keiner so vernichtend die Mundwinkel verziehen und so teuflisch die Zähne blecken wie J.R.Ewing. Gespielt von Larry Hagman war er der Schurke per se, der umso mehr an Statur gewann, je intensiver er sich an den andern rieb (und sie sich an ihm).

 

"Ich habe das wie eine Sucht betrieben", meint rückblickend der Heslacher Thomas Plehwe. Als Vierzehnjähriger durfte er dank Bitteln und Betteln am 30. Juni 1981 aufbleiben und das Premierenstück sehen. Danach war es um ihn geschehen. Immer dienstags punkt dreiviertel Zehn kamen die Ewings heim in die gute Heslacher Stube - und das 349 Folgen lang. Zeitweise 18Millionen Zuschauer hat das spannungsgeladene Frösteln gepackt, wenn Jerold Immels schmissige Eingangskomposition zu einer neuen Runde der Finten und Fallen rief.

Als sich dann im Laufe des Jahres 1991 abzeichnete, dass die turbulente Familiensaga im Bannkreis der Southfork Ranch eingestellt und der Dauerclinch der Barnes und Ewings fortan in Frieden ruhen soll, machten Plehwe und sein Kumpel Sven Müller mobil. Sie trommelten einen Fanclub zusammen, der am 18. April 1991 aus der Taufe gehoben wurde. Die Sache sei den Einsatz wert gewesen, sagt der zum Präsidenten erkorene Plehwe, denn durchweg hätten hochkarätige Schauspieler, eine spannende Dramaturgie und eine anspruchsvolle Technik den Reiz der Serie bestimmt.

„Ich habe das wie eine Sucht betrieben“

Demzufolge ging damals umgehend von Heslach aus eine Unterschriftenliste samt Bitte an die amerikanische Produktionsfirma, ja von Dallas nicht zu lassen. Die Reaktion war seinerzeit zwar gleich null, gleichwohl brachte es der Fanclub in seinen besten Zeiten bundesweit auf 700 eingeschriebene Sympathisanten; mittlerweile sind es laut dem Präsidenten etwa hundert weniger, die ihren Jahresbeitrag von 15 Euro beisteuern.

Bei allen Fiesheiten und Gemeinheiten - eine völlige moralische Beliebigkeit lässt sich indes auch Dallas nicht vorwerfen. J.R. haben die Serienstrategen den guten Bruder Bobby mit dem offenen Blick und dem gütigen Herzen zur Seite gestellt, und so das amerikanische Selbstverständnis wieder einigermaßen ins Lot gerückt.

Bobby alias Patrick Duffy war es auch, der der Mediengeschichte zu einem veritablen Mysterium verholfen hat. Weil der Mann aus eigenem Antrieb hatte aussteigen wollen, ließ ihn das Skript kurzerhand tödlich verunglücken. Da freilich mit dem Ausstieg die Quoten bedrohlich ins Rutschen kamen, musste auf Teufel komm raus der Bobby wieder her. Pam, seine Angetraute, entdeckte den Totgeglaubten eines Morgens wieder munter und quicklebendig unter der Dusche - und alles, was an Bitternis vorausgegangen war, entsprang nur einem bösen Traum der Gattin.

20 Jahre Fanclubchronik

Wahre Fans haben ob der nur mühsamst kaschierten Auferstehung zwar auch einen Moment lang geschluckt, doch die Kröte tapfer hinuntergewürgt. Thomas Plehwe, als Medientechniker in den Diensten des Südwestrundfunks längst dem Kinderglauben entwachsen und selbst Vater zweier Töchter, ist auch von Zweifeln gestreift worden, doch dann stand für ihn fest: "Es war richtig, den Bobby wieder zu holen!"

Schließlich sind es ja auch äußerliche Attribute gewesen, die die Hackordnung im Hühnerkral der Southfork Ranch unterstrichen haben: J.R.'s Stetson mit verziertem Hutband kontra Bobbys naturwüchsigen Pennälerschopf - das war (und sollte sein) wie Macho kontra Lockenbubi.

Die Amis, so berichtet Präsident Plehwe, haben sich während der nunmehr auch schon 20 Jahre dauernden Fanclubchronik ziemlich spröde gegenüber den Wünschen und Anregungen aus Old Germany gezeigt. Das galt etwa für die in der Präambel der Vereinsregularien festgezurrte Forderung von deutscher Seite, die Dreharbeiten zu Dallas wieder aufzunehmen. Auch sei die Eröffnung einer Fanclubfiliale in den Staaten daran gescheitert, dass die Produktionsfirma zu sehr dreinreden wollte.

Schwelgen in alten Zeiten

Also mussten sich die Dallasfreunde hierzulande selbst Mut machen. So hefteten sie sich das Verdienst an die Südstaatenweste, die TV-Filme "J.R. kehrt zurück" (1996) und "Kampf bis aufs Messer" (1998) mit angestoßen zu haben. Und Ölmagnat J.R.Ewing, der - man staune! - inzwischen für Solarstrom wirbt, soll tatsächlich in einigen Jahren auf die US-Mattscheiben zurückkehren. Nämlich dann, wenn es gilt, die Nachfolgegerangel der "Next Generation" unterm Dach der Southfork Ranch in Szene zu setzen. Freilich, so heißt es, muss da erst ein Pilotfilm den Quotentest bestehen.

Selbst in der Hand hätten es indes die deutschen Dallasianer prinzipiell, im eigenen Land und unter musealem Vorzeichen, einen Nachbau der legendären texanischen Ranch inklusive Bohrturm zu errichten. Für das "ehrgeizige Unterfangen" (Plehwe) müsste allerdings erst einmal eine Geldquelle angezapft werden, die so üppig sprudelt wie weiland das Öl in Texas. Und so räumt der Heslacher ein, dass die Idee auch nicht ganz so ernst gemeint sei.

Mangels einer bis dato real existierenden Ranch, sind die Fans zu den Jubiläumsfeierlichkeiten am Samstag erst einmal ins weitläufige Areal des Heslacher Waldheims droben auf dem Dachswald ausgewichen. Bei Spareribs auf dem Grill und den flatternden Stars and Stripes im Wind, bei Countrymusik der schwäbischen Silverados und Chili Õ la Miss Ellie, bei einer zwar legeren, aber von deutlicher Huthäufung bestimmten Kleiderordnung schwelgte eine knappe Hundertschaft von Fans in alten Zeiten - und hoffte auf bessere Zeiten, was das Fortdauern der Dallas-Herrlichkeit betrifft.

Dallas -Faszination des Trivialen

Für Susi Elsner, die am Wochenende extra aus Mecklenburg-Vorpommern angereist ist, setzte das texanische Serienfieber noch zu DDR-Zeiten ein. Den Bannstrahl des Regimes gegen das dekadente Westfernsehen, so erzählt die 42-Jährige, habe ihr Vater mit einer Hausantenne Marke Eigenbau und einem Konverter unterlaufen.

Und dank eines handelsüblichen zehnpoligen Überspielkabels aus dem Baumarkt sei es auch möglich gewesen, sämtliche Dallas-Folgen via Kassettenrekorder als Hörspiele zu konservieren. Die Rostockerin, die noch ganze Dialoge aus dem Gedächtnis hersagen kann, hat sich vor sechs Jahren ihren "allergrößten Traum" erfüllt. Keine Frage, dass dies nur eine Reise nach Dallas gewesen sein konnte ...

Warum sich die Serienfans so ausdauernd von der Seifenoper einseifen lassen, müsste am besten Gerald Sartisson wissen. Er ist nicht nur selbst Betroffener von Jugendbeinen an, sondern hat auch vor 15Jahren an der Uni Bochum eine Magisterarbeit mit dem Titel "Dallas -Faszination des Trivialen" vorgelegt. In der mit einer glatten Eins bewerteten Arbeit hat er die Person J.R., die verschachtelten Handlungsmuster und die Vorwegnahme vieler, heute üblicher dramaturgischer Standards als die wesentlichen Pluspunkte herausgehoben.

Für den Fanclubpräsidenten Thomas Plehwe aber wird es ganz allmählich Zeit, sich dem Allerheiligsten seiner Passion zu nähern. Denn die Southfork Ranch kennt er bisher nur vom Hörensagen.