Los Angeles, 1965:Die TNT-Serie „I am the Night“ mit India Eisley und Chris Pine erkundet die dunklen Seiten der Stadt. Bei dem stilsicheren Noir-Krimi hielt „Wonder Woman“-Regisseurin Patty Jenkins die Fäden in der Hand.

Los Angeles - Irgendwann muss Jay Singletary einfach losprusten ob der grotesken Situation. Der von Chris Pine gespielte Reporter hat sich im Kühlfach einer Leichenhalle versteckt. Er hat verbotenerweise die zerstückelten Reste eines Mordopfers fotografiert, aber weil er nun kichert und rumort, entdecken ihn die Cops doch noch, zerschmettern seine Kamera und schlagen ihn übel zusammen.

 

Die auf TNT laufende Miniserie „I am the Night“ spielt im Jahr 1965. In den ganzen USA nimmt es die Polizei nicht so genau mit den Bürgerrechten, aber die Cops aus Los Angeles sind besonders berüchtigt für ihre Wild-West-Methoden. Besonders brutal gehen sie mit Afroamerikanern um, die Apartheids-Atmosphäre wird in einigen Szenen sehr beklemmend nachgezeichnet.

Dunkle Löcher

Was auf irgendwelchen wohlmeinenden Papieren steht, ist keinen Pfifferling wert, die reale Welt gehorcht ganz anderen Gesetzen: Das ist die Botschaft aller Noir-Krimis. „I am the Night“ schwört auf diesen Pessimismus und präsentiert uns die vielen dunklen Löcher in einer Welt voller Sonnenschein und Bonbonfarben.

Singletary, der am schmierigen Ende seiner Zunft Paparazzo-Jobs hinterherjagt, war mal ein guter Reporter. Der Versuch, die illegalen Abtreibungsgeschäfte eines Arztes namens George Hill Hodel aufzudecken, hat das geändert. Aber nun wittert der fast ins Aus Gedrängte doch noch eine Chance, diesen Hodel dranzukriegen.

Mordfall Schwarze Dahlie

George Hill Hodel hat tatsächlich gelebt. True-Crime-Interessierte kennen seinen Namen gut: Er war einer der Hauptverdächtigen im Mordfall Schwarze Dahlie, der nicht nur im faszinierenden Krimikosmos des Autors James Ellroy („L. A. Confidential“) zum Inbegriff des Albtraums hinter den lockenden Buchstaben des Hollywood-Schilds wurde.

Mancher Verriss, den sich „I am the Night“ eingehandelt hat, resultiert aus einer falschen Erwartung: dass die Produzentin und Regisseurin Patty Jenkins („Wonder Woman“) den Schwarze-Dahlie-Fall mit einem gewissen Wahrheitsanspruch aufarbeiten werde. Dieser Gedanke kann einem schon deshalb kommen, weil sich in einem zweiten Erzählstrang eine weitere historische Figur auf Hodel zubewegt: Fauna (India Eisley), seine einst unter der Hand zu Adoptiveltern weggegebene Enkelin, die einen dunkelhäutigen Vater hatte.

Verbrannte Erde

Aber Jenkins geht es nicht um einen spezifischen Wahrheitsanspruch, sondern noch einmal um Typen und Motive der grimmigen Noir-Märchen, die im Großstadtwald voller menschenfressender Jobs, Träume, Verhältnisse und Bestien spielen.

Die feine Ausstattung suhlt sich dabei nicht sinnlos in Retro-Chic. Sie entwirft Innenräume, die Seelenlandschaften in La-La-Land spiegeln: verbrannte Erde und pompöse Herrschaftansprüche, manchmal beides gruselig gemischt. Eisley spielt wunderbar die Unschuld, die sich nicht einfach schreddern lassen will. Pine gibt spannend überdreht den Zyniker, der doch noch mal aus seinem Sturzflug hochziehen will.