Der Kölner Privatsender RTL hat sich nun die TV-Rechte für die Qualifikationsspiele der Nationalelf zur Europameisterschaft 2016 und zur Weltmeisterschaft 2018 gesichert. Und was bedeutet das?
Stuttgart - Wenn deutsche Kicker mit dem Adler auf der Brust dem Ball nachjagten, war das bislang stets ein Fall für ARD oder ZDF; es sei denn, es handelte sich um Spiele der Nachwuchs-Teams. Insofern kommt es durchaus einem Paradigmenwechsel gleich, dass sich RTL nun die TV-Rechte für die Qualifikationsspiele zur Europameisterschaft 2016 und zur WM 2018 gesichert hat. Womöglich wäre das gar nicht passiert, wenn die Vergabe der TV-Rechte nicht erstmals zentral von der Uefa organisiert worden wäre; bislang haben der Deutsche Fußballbund und SportA, die gemeinsame Sportrechte-Agentur von ARD und ZDF, die Fernsehfrage im bewährten Kurzpassspiel geklärt. Die Turniere selbst bleiben wie gewohnt in öffentlich-rechtlicher Hand. Über die Kosten schweigen sich RTL, DFB und Uefa aus; sie dürften sich pro Spiel im niedrigen einstelligen Millionenbereich bewegen.
Image als Sportsender aufhübschen
Für die Fußballfans ist vor allem entscheidend, dass der Ball für alle rollt, sprich: dass die Rechte nicht von Sky gekauft wurden und ins Bezahlfernsehen abwandern. Wer für RTL am Mikrofon sitzen wird, ist derzeit noch völlig offen. Außer bei einer Handvoll WM-Spiele brauchte der Kölner Privatsender in den letzten Jahren keinen Fußballsachverstand, aber diese Lücke wird sich rasch schließen lassen.
Entsprechend begeistert ist man bei RTL über den Coup, der das Image als Sportsender enorm aufhübschen wird; derzeit hat das Programm in dieser Hinsicht nur Klitschko-Kämpfe und die Formel 1 zu bieten. Außerdem lassen einstige Erfolgsgaranten wie „DSDS“ oder „Das Supertalent“ Federn, die Auffrischung mit Länderspielen tut daher gut. Jahrelang war der Lieblingssender der Zuschauer bis fünfzig auch Marktführer beim Gesamtpublikum; mittlerweile ist das ZDF.
12 Minuten Werbung pro Stunde sind erlaubt
Dort weint man den Quali-Spielen die eine oder andere Träne nach, kann sich aber immerhin damit trösten, in der kommenden Saison bei optimalem Verlauf womöglich vier deutsche Teilnehmer in der Champions League begleiten zu dürfen; das Finale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund bescherte dem ZDF im Mai einen sagenhaften Marktanteil von 64 Prozent. Und dem öffentlichen Unmut über die geschätzten fünfzig Millionen Euro, die der Landesmeisterwettbewerb die Gebührenzahler pro Jahr kostet, kann man nun entgegenhalten, dass man durch den Verlust der Qualifikationsrechte wieder ein paar Euro spare.
Dieses Argument gilt auch für die ARD, der jetzt allerdings neben dem Saisoneröffnungsspiel in der Bundesliga an Live-Partien nur noch der DFB-Pokal sowie die beim Fußballvolk nicht sonderlich geschätzten Testspiele von Joachim Löw und seinem Team bleiben. Groß wird auch das Bedauern in den Nachrichtenredaktionen sein: Die Kurzform der „Tagesthemen“ beziehungsweise das „Halbzeit-Journal“ hatten dank des Rahmenprogramms überdurchschnittlich hohe Zuschauerzahlen. Bei RTL müssen die Fußballfans damit leben, dass die Pausen mit viel Werbung gefüllt wird. Zwölf Minuten Reklame pro Stunde sind erlaubt, das wird der Sender bis zur Neige ausschöpfen. Auch Vor- und Nachberichterstattung werden anders als bei ARD und ZDF von Werbung unterbrochen werden.
Günther Jauch als Moderator?
Man wird sich auch an neue Experten gewöhnen müssen. Ex-Bayernprofi Mehmet Scholl, der bei der ARD im Wechsel mit Matthias Opdenhövel und Reinhold Beckmann stets für Unterhaltung sorgt, wird ebenso seltener zu sehen sein wie Katrin Müller-Hohenstein. Oliver Kahn, der aber dank Champions League am Ball bleibt, polarisiert immer. Andererseits: Wer weiß, wen RTL aus dem Hut zaubert. Empfehlungen wären Jens Lehmann,und Michael Ballack. Wenn es der Vertrag mit der ARD zulässt, könnte man sich als Moderator gut Günther Jauch vorstellen – Stichwort „Torfall von Madrid“.