Die Geschichte des Modeunternehmens Versace wird in einer TV-Serie verfilmt mit Penelopé Cruz in der Rolle der Donatella. Wie tickt die Frau mit dem maskenhaften Gesicht und den grell-blonden Haaren?

Mailand - Es war ein sonniger Tag in Miami Beach, der 15. Juli 1997, an dem für Donatella Versace auf einen Schlag nichts mehr so wie vorher war. Vor der Villa Casa Casuarina am Ocean Drive erschoss ein Serienmörder ihren Bruder, den Designer-Star Gianni Versace, damals 51 Jahre alt. Die Modewelt verfiel in eine Schockstarre. Donatella, damals 42 und ebenfalls unter Schock, konnte nicht einmal anfangen zu trauern, da saß sie schon auf dem Chefsessel des Unternehmens Versace. Der Druck, dem Erbe des berühmten Bruders gerecht zu werden und der Schmerz über den persönlichen Verlust sollten ihr zum Verhängnis werden. „Ich habe den Schmerz in der Öffentlichkeit gelebt, aber ich konnte meinen Schmerz niemandem zeigen“, sagte sie in einem Interview mit der „New York Times“ anlässlich ihres 60. Geburtstags vor zwei Jahren.

 

Die Brüder Gianni und Santo umgarnen die kleine Schwester

Um zu verstehen, wie es dieser kleinen, hageren Frau mit dem grellen Look und dem seltsam maskenhaften Gesicht gelungen ist wie Phoenix aus der Asche zu steigen nachdem sie beinahe alles verspielt hätte, muss man ihre Herkunft betrachten. Donatella Versace, geboren am 2. Mai 1955 in Reggio Calabria, kam ein Jahr nach dem Tod ihrer elfjährigen Schwester auf die Welt, vielleicht sowas wie ein „Trostkind“. Ihr Vater war Handelsreisender, ihre Mutter Schneiderin. „Meine Mutter hat ihre Angestellten wie Familienmitglieder behandelt. Gianni hat das ebenfalls so gemacht. Und ich auch“, hat sie Jahre später einmal mit ihrem prägnanten Englisch mit dem harten, italienischen Zungenschlag in einer TV-Doku gesagt.

Ihre Brüder Gianni und Santo umgarnen die kleine Schwester, Gianni holt sie während ihres Studiums der Wirtschaftswissenschaften zu sich ins Atelier nach Mailand. Als Model und Muse ihres Bruders erlebt sie den Aufstieg des Modehauses in den Achtzigerjahren hautnah mit. Flamboyante Mode, Jetset, Luxus und Glamour – es waren goldene Zeiten für die Geschwister. Zeiten, in denen Marken wie Versace, Armani, Gucci und Prada sowie das Label „Made in Italy“ kosmopolitischen Glanz versprühen.

Donatella ist Vertraute und Ratgeberin ihres Bruders

Anfang der Neunzigerjahre widmet Gianni seiner Schwester mit dem provokanten Look aus wasserstoffblonden Haaren und sonnengegerbter Haut das Parfum „Blonde“ und übergibt ihr die Leitung des jungen Versace-Labels Versus. Donatella – damals noch mit natürlichen Gesichtszügen – geht auf in ihrer Rolle als Vertraute und Ratgeberin ihres Bruders, Imagepflegerin, VIP-Betreuerin und junger Label-Chefin. Das Unternehmen lebt von der ungewöhnlichen Mischung aus High-Society-Lifestyle und bodenständigen Werten – La Familia über alles! Aber bitte mit viel Schampus, Glitzer und Promis.

Nach Giannis Tod folgt eine Achterbahnfahrt. In dem Jahr vor seiner Ermordung macht die Marke mit dem Medusenkopf im Logo eine Milliarde Umsatz. Nachdem Donatella und ihr Bruder Santo die Geschicke übernehmen, geht es nur noch abwärts. Größenwahn und Unsicherheit führen die Versaces an den Abgrund, am Ende steht ein Schuldenberg von 120 Millionen Euro. Das Image der Edelmarke ist dahin, sie wird zur billigen Kopie ihrer selbst. Donatellas Alltag bewegt sich gefährlich einseitig zwischen Drogen und Dekadenz. „Kokain war für mich so gegenwärtig wie Champagner“, sagt sie später über ihren Lebensstil, der sie beinahe kaputt gemacht hätte. Es folgt Schönheits-Behandlung um Schönheits-Behandlung, das Resultat liefert die Vorlage für Hohn und Spott („Dönerteller Versace“, „Donatella Horror Picture Show“). Und mitten drin ihre Kinder Allegra und Daniel aus der längst geschiedenen Ehe mit dem Model Paul Beck. An denen geht das alles nicht spurlos vorbei. Allegra (geboren 1986), der Gianni 50 Prozent am Unternehmen vererbt hat, wird immer dünner und wegen Magersucht behandelt.

2004 landet die Designerin in einer Entzugsklinik

„Wir haben irgendwann gemerkt, dass wir total isoliert waren und den Schock nach Giannis Ermordung nie überwunden hatten“, sagt Donatella später. Sie seien nicht mehr in der Lage gewesen, sich selbst zu retten. Das übernahmen andere. Freunde, unter anderem der Sänger Elton John, organisieren ihr 2004 einen Aufenthalt in der Entzugsklinik Meadows in Arizona. Der Manager Giancarlo Di Risio, der sich bereits des wankenden Hauses Fendi angenommen hatte, nimmt eine Grundsanierung der Marke vor. Ab 2006 geht es bergauf. Donatella krempelt ihr Leben radikal um: „Nach dem Entzug musste ich alle Kontakte zu meinen früheren Freunden abbrechen und meine private Welt komplett austauschen.“

Heute stehen wieder La-Familia-Werte im Vordergrund. Sie sagt: „Wenn ich morgens ins Studio komme und von meinem Designerteam umgeben bin, fühle ich: ‚Das ist meine Familie.“ Die Selbstreinigung führte auch zu einem neuen modischen Selbstverständnis: „Ich habe jetzt meine Kundinnen vor Augen – Frauen zwischen 30 und 40, die Karriere machen und im Leben stehen. Denen kann ich nicht mehr schrille Kleider für Körper von 22-Jährigen zeigen. Die wollen sich selbst in der Mode erkennen.“

Die Stars suchen Donatellas Nähe

Inzwischen gehört Versace wieder selbstverständlich zu den „Big Ten“ auf den internationalen Laufstegen und die Stars suchen Donatellas Nähe: Madonna modelte vor zwei Jahren für Versace, das Hochzeitskleid von Angelina Jolie stammte aus dem Mailänder Atelier und Lady Gaga gilt als Busenfreundin der 62-Jährigen. In ihrer Herbst-Winter-Kollektion greift sie einen Trend auf: Feminismus. „Equality“, „Courage“, „Unity“ – mit diesen Botschaften bedruckte Versace viele Teile. „In Italien haben die Frauen noch zu wenig Einfluss. Und das ist nicht in Ordnung. Also lasst uns gemeinsam für mehr Gleichberechtigung eintreten“, wurde sie im „Corriere della sera“ zitiert. Donatella hat sich endgültig frei geschwommen.