Collien Ulmen-Fernandes war in den Nullerjahren mal Musikfernsehfee. Nun prangert sie als Erziehungsexpertin in der ZDF-Neo-Reportage „No More Boys and Girls“ Geschlechterstereotypen an. Das ist immer noch nötig, wie man hier erschreckt merkt.

Stuttgart - Willkommen auf der Resterampe: ZDF-Neo, 2009 als Alternative für Zuschauer diesseits der 50 gestartet, ist längst das Altwarenlager des Hauptprogramms – und bietet „Columbo“-Wiederholungen mit Peter Falk. So richtig gestrig klingt der Nachwuchskanal aber erst, wenn ein kleiner Junge im Anschluss sein Familienbild schildert. Frauen, sagt der Grundschüler zur besten Sendezeit, „sind für Putzen und Kochen geeignet“. Und Männer? „Reparieren und andere Sachen.“ Vermutlich Mammuts jagen oder Leder gerben – was man als Mann Jahrzehnte vor Emanzipation und Gleichstellungsgesetzen halt so gemacht hat.

 

Dummerweise spielt die Szene nicht auf dem Dorf der konservativ-bräsigen Fünfziger, sondern in einer Kölner Schule des Jahres 2018. Und die Moderatorin Collien Ulmen-Ferndandes hat sie zwar für ein Format besucht, das popmodern „Social Factual“ heißt. Abgesehen davon transportiert „No More Boys and Girls“ jedoch ein Geschlechterbild jener Tage, als Reportagen noch im blechernen „Wochenschau“-Tonfall die Heimchen-am-Herd-Ehe priesen. Die AfD dürfte begeistert sein. Aber nicht so von der Art, wie die norddeutsche Moderatorin mit Migrationshintergrund das Thema verarbeitet.

Kein Rosa für echte Jungs

Denn Collien Ulmen-Fernandes ist spürbar entsetzt davon, was sie bei ihrer zweiteiligen Tour durch die Welt unverwüstlicher Klischees erlebt. Siebenjährige berichten vom Vati, der stets Fußball guckt, wenn Mami den Haushalt schmeißt. Sodann wählen Erwachsene vom Kleiderständer, den Collien in die Fußgängerzone schiebt, rosa T-Shirts mit der Bildungsverweigerungsfrechheit „Too pretty for Math“ für Mädchen, während die Bubenbrust natürlich schmetterlingsfrei bleibt. Das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel der eineinhalbstündigen Zeitreise in die reaktionäre Vergangenheit.

Einspruch, meint die Moderatorin. „Wenn Kinder im Film zu 100 Prozent ankreuzen, Putzen sei Frauen- und Geldverdienen Männersache, ist das nicht reaktionär, sondern deren Realität.“ Dennoch lautet auch ihr Resümee: „Gesellschaftlich sind wir nicht wesentlich weiter als im Backmischungswerbespot der Fünfziger.“ Zum Glück hebt die 37-jährige Mutter einer sechsjährigen Tochter keinen Zeigefinger, sondern ballt die Faust. Genüsslich präsentiert sie Erstklässlern Männer in Frauenjobs und umgekehrt oder zeigt Jungs, wie hart der Mädchenhammer beim „Hau-den-Lukas“ schlägt. Von Forschern lässt sie sich den Wankelmut angeblich ewiger Stereotypen erklären oder die Mär vom schwachen Geschlecht widerlegen.

Frauen brauchen kein Werkzeug

Das alles ist schon wegen der unbestechlichen Faktendichte entlarvend. Echt imposant wird es aber, wenn das jemand wie Collien Ulmen-Fernandes vermittelt. Optisch bedient die ausgebildete Tänzerin mit dem offenen Naturell ja fast jedes Vorurteil von der Schönheit ohne Tiefgang: einst Backgroundsängerin für Enrique Iglesias, Showdebüt bei „Bravo TV“, Accessoire von Raabs Gnaden. Und dann gab sie dem Boulevard durch die Hochzeit mit Christian Ulmen auch noch extra Zucker. Lustiges Alphatier, süßer B-Promi – noch Fragen? „Ich finde“, sagt Ulmen-Fernandes im schnodderige Restdialekt ihrer Hamburger Heimat, „dass Frauen ihre Weiblichkeit sehr wohl zeigen dürfen, ohne dass ihnen gleich jegliche Intelligenz abgesprochen wird“.

Deshalb will ihr Ausflug ins Reportagefach auch keinem Girl das Rosa verbieten und keinem Boy den Body. Stattdessen gehe es darum, „Kindern jenseits tradierter Rollenbilder die Vielfalt der Welt zu zeigen“. Sie sagt das auch mit Blick aufs eigene Leben. Obwohl ihre Eltern recht modern waren, „hat man mir vor allem technische Fähigkeiten nicht zugetraut“. Wie wenig, fiel ihr jedoch erst bei Christian Ulmens Antrittsbesuch auf: Zur Begrüßung gab‘s von Papa Fernandes einen Werkzeugkoffer für den Neuen. „Und das, obwohl er sich dafür überhaupt nicht interessiert.“ Die süße Collien mit dem harten Händedruck lacht: „Also hab ich angefangen, Möbel zu bauen.“ Ein gutes Role-Model. Für Boys und Girls.

Ausstrahlung: Beide Teile nacheinander am 22. November 2018 auf ZDF-Neo, danach auch in der Mediathek des ZDF.