In einem Dorf in Brandenburg brechen jede Menge Konflikte auf, als die Windräder kommen sollen. Aus Juli Zehs Roman „Unterleuten“ ist ein fulminanter Dreiteiler im ZDF geworden.

Stuttgart - All die Felder, Wiesen, kleinen Wäldchen und Baumstücke. Dazu die einstigen Gemüsegärten sowie die nicht mehr für kleinbäuerliches Tagwerk benötigten Scheunen und Schuppen, die so viel Raum für Projekte bieten. So ein kleines Dorf, denken die frisch Hergezogenen, ist schon ein toller Lebensraum, der auf kreative Neugestaltung und auf Rückführung zu naturgerechteren Strukturen nur wartet. Man findet diese Leute in Juli Zehs Provinzroman „Unterleuten“ – und in dessen angenehm ungedrängter Verfilmung, die der Regisseur Matti Geschonneck jetzt im ZDF vorlegt: drei mal eineinhalb Stunden.

 

Man findet hier aber auch sehr schnell das, was was die Landlustgelockten anfangs nicht auf dem Zettel haben. So ein Dorf ist ein Entzündungsherd der unbeglichenen alten Rechnungen und unverwundenen Kränkungen, ein System der Geschichten, Gerüchte und Spekulationen. Was sich an festem Grund im Sumpf der Anekdoten, Histörchen und Verleumdungen finden lässt, sind ökonomische Zwänge und Widersprüche, weil auch ein weites Land nie weit genug für alles ist.

Wirklich alles im Griff?

In Unterleuten in Brandenburg etwa kämpft sich die Ökologica GmbH von Ernte zu Ernte. Trotz des schönen Namens ist das kein Öko-Startup mit grünem Geld urbaner Investoren, es ist der Nachfolger der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft „Gute Hoffnung“ aus DDR-Zeiten, der größte Arbeitgeber in einem kleinen Dorf in einer strukturschwachen Region. Sieht man den massigen Geschäftsführer Gombrowski mit seinem klobigen Hund am Feldrand stehen und die Erntereife abschätzen, dann könnte man für einen Moment glauben, hier sei alles im Griff. Vielleicht sogar: zu fest im Griff.

Man wird später ja noch einiges hören von diesem Gombrowski: Seine Tochter soll er verprügelt haben, bis sie davongelaufen ist und den Kontakt abgebrochen hat, seine Frau betrogen und mit dem Gürtel verdroschen, bis sie ihm nun mit kaltem Hass jeden Tag vergiftet. Und einmal, ja, einmal, aber die Polizei hat nichts unternommen, soll er einen Mann, der seinen Plänen im Wege stand, im Wald erschlagen haben.

Windräder und Fallhöhen

Aber es geht der Ökologica gar nicht gut. Sie braucht Windräder auf ihrem Land, um überleben zu können, und dieses Projekt zerreißt das Dorf. Die einen bangen um die Vogelwelt, vielleicht auch um den Blick aus den eigenen Fenstern, andere wollen Windräder, aber der lukrativen Pacht wegen lieber auf dem eigenen Flurstück. Und selbst die Arbeiter der Ökologica haben einen schrecklichen Verdacht: Gombrowski wolle das Geld nicht für die Firma, sondern nur, um die GmbH mit einem goldenen Handschlag für sich selbst abwickeln zu können.

Theo Bierkens hat „Unterleuten“ mit schmachtend-melancholischem Idyllengespür ins Bild gesetzt, seine Kamera lutscht die Welt genussvoll wie ein Karamellbonbon. Das ist jene Art Schönheit, die in Deutschland vor allem der Kameramann Gernot Roll als Siegel von Qualitätsproduktionen durchgesetzt hat. So bekommt man kurz Angst, Juli Zehs Erfindung werde von den Bildern mit Nettigkeit lasiert. Aber die Kamera stellt dann nur beständig Fallhöhe her zwischen dem Versprechen und der Wirklichkeit dieses Landlebens.

Die Jungen und die DDR

Zeh, die selbst als urbane Intellektuelle in die tiefe Provinz gezogen ist, hat wunderbare Typen entworfen, die von einem großartigen Ensemble zwischen Archetyp und Individuum, Karikatur und Psychogramm ausbalanciert werden. Thomas Thieme und Dagmar Manzel, Rosalie Thomass und Ulrich Noethen, Bjarne Mädel und Bettina Lamprecht – man mag gar nicht anfangen aufzuzählen, weil man niemanden auslassen möchte.

Der Regisseur Matti Geschonneck, 1952 in Potsdam geboren, galt in der DDR als Zweifler am System. Nun blickt er auf die Figuren aus dem Westen mit der gleichen Skepsis wie auf einen Altkommunisten, und auch deren Spannungen machen sehr deutlich: dass die einen von der DDR kaum noch etwas wissen und die anderen noch lange nicht fertig sind mit den alten Konflikten. Mit „Unterleuten“ zeigt das deutsche Fernsehen mal wieder, was es kann, wenn es darf und will.

Ausstrahlung;: ZDF, 9. März, 11. März und 12. März 2020,
je 20.15 Uhr. Alle drei Teile bereits in der Mediathek abrufbar.