Benjamin Quabecks Dokudrama „Der Auf-Schneider“ in der ARD erzählt den Skandal um den Immobilienunternehmer Jürgen Schneider in den Neunzigern nach. Bis heute stellt sich die Frage: War Schneider alleine der Ganove, oder spielten die Banken viel zu fahrlässig mit?

Stuttgart - Wer möchte den folgenden Satz nicht gerne einmal über sich lesen? „Die Banken haben sich einen Wettstreit geliefert, wer ihm Geld geben kann.“ In Benjamin Quabecks Dokudrama „Der Auf-Schneider“ spricht ihn der Richter Heinrich Gehrke aus, und er gilt dem Immobilienentwickler Jürgen Schneider, den Gehrke Ende 1997 wegen Betrugs zu sechs Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt hat. Eine viel zu milde Strafe, wie damals viele meinten. Immerhin hatte Schneider hinter einer ausgeklügelten Lügenfassade fünf Milliarden Mark Kreditschulden aufgetürmt und beim Kollaps seines Imperiums viele von ihm beauftragte Bau- und Handwerksfirmen in Existenznot gebracht oder gar ruiniert.

 

Mit Interviews – Schneider und dessen Ehefrau waren allerdings nicht vor die Kamera zu bewegen – will Quabeck hinter die aufgeregten Schlagzeilen von 1994 blicken. In diesem Jahr platzte Schneiders Schneeballsystem, der Flüchtige wurde zum meistgesuchten Mann der Republik. Hilmar Kopper, damals Chef der Deutschen Bank, gab eine Pressekonferenz, in der er den Vorgang herunterspielen wollte: Es ginge da doch bloß um Peanuts. Schneider stand damals mit 1,5 Milliarden Mark bei der Deutschen Bank in der Kreide.

Der Vorstand nickt ab

Zum Begriff Peanuts sagt Michael Prinz von Sachsen-Weimar in einem der Interviews treffend: „Das Wort ist eigentlich immer noch da, es steht symbolhaft für grenzenlose Arroganz.“ Der Herr Prinz bietet überhaupt ein paar sehr interessante Einblicke in den Fall. Er war damals Leiter der Mannheimer Filiale und zuständig für Zwischenkredite an Schneider. Die großen Kredite an den Mann, der unter anderem in Leipzig und Frankfurt spektakuläre Radikalumbauten großer innerstädtischer Objekte laufen hatte, wurden im Vorstand abgenickt.

Als nach Offenbarwerden des Betrugs eine interne Untersuchungskommission der Deutschen Bank aufklären sollte, wie es zum Versagen aller Kontrollsysteme kommen konnte, gab es einen klaren Auftrag: Alles wird untersucht, nur die Rolle des Vorstands nicht.

Der Nutzen eines Schlösschens

Spielszenen sind manchmal bloß störendes Beiwerk von Dokudramen. Hier ist das anders. Wenn nachgestellt wird, wie Schneider in seinem Schlösschen Banker empfing, wie er huldvoll hoheitliche Symbolik für sich zu nutzen wusste, begreift man besser, wie er sich durchschwindelte: Er kannte die Schwächen und Eitelkeiten der Banker so gut wie die immanente Gier des Systems. Auch Schneiders Verstecken in Miami wird schön vor Augen geführt. Er und seine Frau saßen mehr oder weniger als Geiseln höchst zwielichtiger Geschäftspartner fest, die an Schneiders in der Schweiz eingefrorenes Fluchtgeld (245 Millionen) heranwollten.

Der Autor und Regisseur Benjamin Quabeck, Jahrgang 1976, hat an der Filmakademie in Ludwigsburg studiert. In seinem bislang witzigsten Film, „Verschwende deine Jugend“ von 2003, hat er schon einmal in viel kleinerem Maßstab von einem beredten Schwindler erzählt, dem sein Treiben über den Kopf wächst. Tom Schilling spielt einen jungen Bankangestellten, der dilettantisch ein großes Konzert zu organisieren versucht.

Dummheit ist nicht strafbar

Quabeck, könnte man also vermuten, hat ein Eckchen Herz für Schneider, den er neben den Bankern als den kleineren Ganoven sieht. Vielleicht deshalb rückt das Schicksal der von Schneider Ruinierten fast aus dem Blick. Das ist ein Manko, aber keines, das vom Anschauen dieses lehrreichen Films abhalten sollte. Dass das Treiben der Banken damals keine strafrechtlichen Konsequenzen hatte, erklärt der federführende Staatsanwalt Dieter Haike übrigens so: „Dummheit ist, selbst wenn sie große Ausmaße annimmt, nicht strafbar.“

Ausstrahlung: ARD, 15. Oktober 2018, 20.15 Uhr