Die Firmengeschichte des Discounter-Riesen Aldi kommt im Dokudrama „Die Aldi-Brüder“ im Ersten zwar etwas kurz. Dafür wird aber sehr spannend von einer Lösegeld-Erpressung im Jahr 1971 erzählt.

Essen - Großzügig seien die Brüder Albrecht nicht gewesen, sagt eine frühere Angestellte über die Gründer der großen Discounter-Kette. Man begreift im Dokudrama „Die Aldi-Brüder“ des Regisseurs Raymond Ley ganz gut, was sie meint. In den Aufbaujahren, in den Fünfzigern, als die Albrecht-Läden noch keine Selbstbedienung kennen und hinter einem langen Tresen Verkäuferinnen darauf warten, die Waren zu reichen, kontrolliert Theo Albrecht regelmäßig den Müll. Findet er Preisschilder, die nur einseitig beschriftet sind und nach ihrem Dienst am Regal einfach weggeworfen wurden, stellt er sein Personal streng zur Rede. So ein kleines Papierschnipselchen kann man umdrehen und auch auf der Rückseite mit einem neuen Preis beschriften. Das spart Kosten.

 

Pausenlos arbeiten

Eigentlich möchte man dem Kontrollzwang des von Arnd Klawitter ohne alles Hinübergleiten in die Karikatur herrlich verkniffen gespielten Theo Albrecht einen ganzen Film lang zuschauen – und den Konflikten mit Bruder Karl Albrecht, der freier denkt, der investieren möchte, dem Selbstbedienung, Laufbänder an den Kassen und andere Neuheiten sofort einleuchten.

Das ist auch deshalb so spannend, weil die beiden Brüder zwar ganz unterschiedliche Visionen der Ladenkette von morgen haben. Beide aber sehen ihr Personal immer nur als Ressource ohne menschliche Komponente. So wenige Leute wie möglich sollen so pausenlos wie möglich arbeiten. Jeder Handgriff in jeder Sekunde soll dem Warenfluss dienen, einmal Durchschnaufen wäre schon Sünde.

Beispielhafte Umverteilung

Aber es geht in „Die Aldi-Brüder“ gar nicht so sehr um die Firmen- und Sozialgeschichte, die uns in Rückblenden in Schlüsselmomenten nahegebracht wird. Raymond Ley, Hanna Ley und Dirk Eisfeld konzentrieren sich in ihrem Drehbuch auf die Entführung von Theo Albrecht im Dezember 1971. Da haben die Brüder ihr Discounter-Reich schon in Aldi-Nord und Aldi-Süd aufgeteilt, was die Lösegeld-Gangster aber nicht wissen. Sie haben sich ihr Opfer aus dem Sachbuch „Die Reichen und Superreichen in Deutschland“ herausgesucht. In ihrer Kommunikation mit der Familie Albrecht tun sie so, als seien sie vom Aufbruchsgeist der Sechziger beseelt, als ginge es ihnen um soziale Gerechtigkeit: um eine beispielhafte Umverteilung.

Bei den Entführern handelt es sich aber um den Essener Anwalt Heinz Joachim Ollenburg und den Berufsverbrecher Paul Korn. Letzterer will in Leys Interpretation und in der robusten, latent aggressionsknisternden Darstellung durch Ronald Kukulies endlich das ganz große Ding drehen. Ollenburg dagegen, von Peter Kurth packend als Gossenphilosoph mit vielfach gespaltenem Herzen gespielt, hat wohl einfach die Schnauze voll von seiner tumben Klientel, von einer endlosen Parade krimineller Tölpel, denen er erklären muss: „Die Beweislage ist erdrückend.“ Er will viel Geld, um sich von all dem abzusetzen.

Mitleid mit dem Opfer

So neugierig man auf eine ganz andere Darstellung der Aldi-Firmengeschichte auch sein mag, das Dreieck Anwalt–Profikrimineller–Entführter sorgt für einen außergewöhnlich interessanten Fernsehkrimi. Hier reiben sich ganz unterschiedliche Welten aneinander. Die Entführer etwa sind ratlos, warum der reiche Albrecht so verbissen viel arbeitet und so freudlos geizig lebt. Manchmal bekommen sie wirklich Mitleid. Und Ollenburg möchte die Gefangenschaft am liebsten als Chance auf existenzielle Umorientierung verkaufen.

Ausstrahlung: ARD, 22. Oktober 2018, 20.15 Uhr