Der Zweiteiler „Herzstolpern“ im ZDF ist ein famos gespieltes Roadmovie über ein Paar mit Down-Syndrom, das eine abenteuerliche Reise nach Italien macht.

In Filmen über Kinder mit Trisomie 21 wird oft betont, dass sie ein Geschenk seien: Vieles sei anders, aber vieles sei auch viel schöner. Die Figuren werden allerdings zumeist über ihren Gendefekt definiert. Schon allein deshalb unterscheidet sich „Herzstolpern“ wohltuend von den sonstigen Produktionen dieser Art: Felix Häverkamp (Benjamin Raue) hat zwar das Down-Syndrom, doch sein eigentliches Problem ist ein Herzfehler, und Motor der Handlung ist ohnehin die Liebe. Darüber hinaus bietet der ZDF-Zweiteiler einige andere Geschichten, die jeweils gleichfalls abendfüllend wären, sodass die 180 Minuten eher zu wenig als zu viel sind; es geht unter anderem um verdrängte Trauer, um eine alte Rechnung, um den Verlust einer einstigen Innigkeit sowie um den Beginn von etwas Neuem.

 

Es geht um Inklusion, große Gefühle, Familie und Aufarbeitung

Weil Anja Flade-Kruse und Koautorin Claudia Kaufmann all’ das als Road-Movie erzählen, ist ständig was los in „Herzstolpern“: Im Rahmen eines Theaterprojekts auf dem Inklusionsbauernhof von Elisa Jansen (Anna Maria Sturm) lernt Felix, Anfang zwanzig, die gleichaltrige Emma (Juliane Siebecke) kennen. „Liebe auf den ersten Blick“ beschreibt seine Gefühle nur annähernd: Er ist regelrecht schockverliebt. Demnächst bekommt er eine neue Herzklappe, bis dahin darf er sich nicht anstrengen, was zur Folge hat, dass Vater Alexander (Sebastian Ströbel) sämtliche Klischees eines Helikopter-Papas erfüllt. Die beiden geraten immer wieder aneinander, weil sich Felix nicht wie ein kleines Kind behandeln lassen will. Auch Emma ärgert sich, allerdings über ihre Mutter: Lucia (Clelia Sarto) hat einen Brief ihres italienischen Vaters zerrissen, weigert sich jedoch, ihrer Tochter zu erklären, warum sie den Kontakt vor vielen Jahren abgebrochen hat. Als der alte Herr (Sandro Di Stefano) nach Norddeutschland kommt, weist sie ihn brüsk zurück. Emma will ihren Opa unbedingt näher kennenlernen, und nun beginnt für alle Beteiligten ein großes Abenteuer: Das Liebespaar nutzt eine Übernachtung auf dem Bauernhof, um sich auf den Weg nach Norditalien zu machen. Lucia fährt ihnen mit dem Zug hinterher, Alexander und Elisa folgen den beiden mit dem Auto.

Da Lucia mit einer Frau verheiratet ist, liegt nahe, was zum Bruch mit dem Vater geführt haben mag; die sehr viel später offenbarten Details des Zwists sind allerdings schockierend. Eine weitere Frage, die ebenfalls erst im zweiten Teil beantwortet wird, begleitet Elisa; ein leerer Nagel inmitten einer Fotogalerie lässt erahnen, warum sie sofort weiß, wovon Alexander spricht, als er sie über Felix’ Herzprobleme informiert. Der Hof, den sie gemeinsam mit ihrem Mann (Tobias Licht) führt, ist hochverschuldet, ein Förderantrag ist abgelehnt worden, es droht die Zwangsversteigerung. Alexander wiederum leidet darunter, dass er und seine Frau (Lena Reinhold) schon länger nicht mehr das Dreamteam sind, das sie mal waren.

Preiswürdige Schauspielerin, ausbaufähige Umsetzung

Vor allem die stellenweise zu Tränen rührende Leistung von Juliane Siebecke ist preiswürdig; die bislang weitgehend unerfahrene Schauspielerin ist eine echte Entdeckung. Die Szenen mit Benjamin Raue bieten gerade im zweiten Teil eine wunderbar gelungene Mischung aus heiteren und ernsten Momenten; bis Felix einen Tribut für seine körperlichen Anstrengungen zahlen muss. Auch die Momente von Vater und Sohn strahlen eine Innigkeit aus, die nicht gespielt wirkt. Angenehm unangestrengt, aber unübersehbar sind die Signale des Drehbuchs: Emma wehrt sich mehrfach gegen typische Diskriminierungen, etwa das Duzen durch einen Schaffner. Bei der Umsetzung hätte es allerdings noch Luft nach oben gegeben. Peter Stauch hat in den letzten Jahren unter anderem die ersten vier Episoden der sehenswerten ARD-Freitagsfilmreihe „Die Inselärztin“ (2018/19) sowie zwei spannende „Amsterdam-Krimis“ (2020) gedreht. „Herzstolpern“ orientiert sich mit seinem Sonnenuntergangslicht und den Postkartenbildern aus dem kroatischen Istrien (wo die italienischen Szenen entstanden sind) jedoch zu sehr am Schema des Sendeplatzes, und die muntere Musik ist nicht immer passend, vom emotionalisierenden Popsong-Überangebot ganz zu schweigen. Solange das ZDF nicht auf diese Unart verzichtet, muss es mit Abzügen bei der B-Note leben.

Herzstolpern: 7. und 8.5., 20.15 Uhr, ZDF