Die Reportage „Ganz oben“ in der ARD will die Welt von Deutschlands Reichen zeigen. Aber nicht alle von ihnen sprechen mit dem „System Error“-Regisseur Florian Opitz.

Stuttgart - Diskretion ist oberste Milliardärspflicht. Deutsche Superreiche erkennt man unter anderem daran, dass sie sich am Begriff Superreiche stören. Dass man unter sich und unerkannt bleiben will, wird in Florian Opitz’ Reportage „Ganz oben: Die diskrete Welt der Milliardäre“ deutlich. Auch, dass dieser Umstand ein Bündel von Ursachen hat, von denen Taktgefühl gegenüber weniger Begüterten allenfalls eine sein mag.

 

Zunächst aber muss man einmal klären, wer denn nur ein bisschen sorgenfreier und wer wirklich schwer vermögend ist. Zwar holt sich Opitz dazu viel Rat beim „Manager Magazin“, dessen Redaktion regelmäßig ein Ranking der reichsten Deutschen erstellt. Aber dort gibt man zu, mit Schätzwerten zu arbeiten und eher zu unterschätzen. Und der Vermögensberater Christian von Bechtolsheim gibt fast mitleidig zu verstehen , diese Liste sei „Feuilleton“, was er nicht freundlich gegenüber dem Kulturteil der Zeitungen meint.

Ab wann man superreich ist

Mit anderen Worten, Bechtolsheim, dessen Firma die Vermögen einiger superreicher Familien betreut, hält die Ranking-Liste für blumigen Quatsch. Aber er nennt immerhin eine Kennzahl, ab wann man von wirklich großen Vermögen sprechen kann: „Ab 100 Millionen Euro.“

In diesen Regionen, da sind sich die Journalisten und der Vermögensberater wieder einig, findet man gar nicht so viele bloße Manager oder Aufsteiger. Enorme Vermögen wurden hierzulande über Generationen zusammengetragen, man ist eher mal Erbe. „Geld verdient Geld“, wie Opitz den Einkommensmotor der feinsten Kreise knapp benennt. Bezeichnenderweise sind zwei von drei Reichen, die sich tatsächlich dere Kamera stellen, noch selbst Unternehmensgründer.

Dagobert Duck nervt

Da ist Rainer Schaller, geschätzt 250 Millionen schwer, der ohne nennenswertes Startkapital in den vergangenen zwei Jahrzehnten Europas größte Kette an Fitnessstudios aufgebaut hat. Fährt er auf seinem Motorroller durch die Stadt, sieht er aus wie ein Sozialarbeiter auf dem Weg zum Jugendhaus. Dann ist da Dirk Roßmann, mehrfacher Milliardär, der die erste deutsche Drogeriemarktkette aufgebaut hat und die Firma gerade an seinen Sohn Raoul übergibt, der ebenfalls zu Wort kommt.

Michael Otto ist Erbe und bekennt, ganz wie die anderen, er störe sich am Dagobert-Duck-Image besessener Raffgier für die Reichen. Aber auch Otto ist noch nahe dran am Ursprung des Vermögens. Seine Eltern haben ein Versandhaus-Imperium hochgezogen, er hat dessen Führung übernommen. Seine eigenen Kinder wollen mit der Lenkung des komplexen Unternehmens schon nichts mehr zu tun haben.

Auch Verdummung droht

Opitz, dessen Dokumentarfilm „System Error“ über ein sich selbst zerstörendes Wirtschaftssystem der Gier im vergangenen Jahr beim SWR-Doku-Festival den Preis der Leserjury unserer Zeitung gewonnen hat, kann ein paar interessante Beobachtungen machen. Aber letztlich nur von einem Zaun vor einem Zaun vor einem Zaun aus. Angst vor Neiddebatten, Angst vor Schwerkriminalität, Angst vor Medienrummel hält Deutschlands Reiche scheu. Wer sich vernetzen will, muss leise bleiben: vielleicht auch, weil Protz die Aufmerksamkeit auf Geschäfte und Beziehungsgeflechte lenken würde.

Christian Freiherr von Mauchenheim genannt Bechtolsheim, den man „im Gesellschaftsleben“, wie er das nennt, mit „Herr Baron“ ansprechen darf, zählt sich selbst nicht zu den Superreichen. Er ist zwar ein Nachfahre der Fugger-Dynastie, aber im Lauf der Jahrhunderte gab es Rückschläge in der Familiengeschichte. So erklärt er denn auch, mit welchem Druck Klienten zu ihm kommen. „Ein Vermögen zu erhalten über mehrere Generationen ist irrsinnig schwierig. Denn es ist bedroht durch Erbteilungen, durch Erbauseinandersetzungen, durch Enteignungen, durch Kriege oder schlicht durch Verdummung.“ Leicht klingt das tatsächlich nicht. Aber unterhaltsamer als Armut schon.

Ausstrahlung: Montag, 11. Februar 2019, 23 Uhr