„Geschenkt“ ist eine großartig gespielte österreichische Tragikomödie. Der ARD-Film erzählt von einem frustrierten Journalisten, dem das Schicksal plötzlich einen neuen Lebenssinn schenkt.

Stuttgart - Vordergründig gehört die österreichische Tragikomödie „Geschenkt“ in die Dramedy-Kategorie „Plötzlich Papa“. Diese Filme handeln in der Regel von einem Mann, dem das Schicksal aus heiterem Himmel ein zunächst nur widerwillig akzeptiertes Kinderglück beschert. Meist handelt es sich um Neffen oder Nichten, aber mitunter hat der unverhoffte Vater den Nachwuchs einst auch selbst gezeugt. Entscheidend ist ohnehin, dass er moralisch nicht anders kann, als die Verantwortung zu übernehmen, obwohl Kinder in seinem ungebundenen Dasein als Playboy oder Lebenskünstler überhaupt nicht vorgesehen sind. „Geschenkt“ (18.12.19, ARD, 20.15 Uhr) erzählt diese Geschichte jedoch etwas anders als erwartet.

 

Der Film ist für die Reihe „Stadtkomödie“ des Österreichischen Rundfunks (ORF) und in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk entstanden. Oft führen solche Beteiligungen dazu, dass sich die österreichischen Autoren und Regisseure aus Rücksicht auf hiesige Be- und Empfindlichkeiten etwas bremsen müssen, weil ihr Humor für den Geschmack der deutschen Redaktionen meist zu schwarz ist. Davon kann diesmal zum Glück keine Rede sein. Das gilt vor allem für die Hauptfigur. Gerold „Gerry“ Plassek (Thomas Stipsits) ist ein Typ, wie er hierzulande meist nur in jenen Kinokoproduktionen vorkommt, die erst gegen Mitternacht im Fernsehen gezeigt werden und daher größere Freiheiten genießen: Der Mann ist ein versoffener Zyniker, der in der niederösterreichischen Provinz (gedreht wurde in St. Pölten) für eine Gratiszeitung arbeitet und den Abschied von den einstigen journalistischen Ansprüchen allabendlich in seiner Stammkneipe ertränkt.

Plötzlich ist bei Gerry alles anders

Hauptleidtragender seiner Tiraden ist der vierzehnjährige Manuel (Tristan Göbel). Dessen Mutter Alice ist eine frühere WG-Mitbewohnerin und hat den Jungen vorübergehend bei Gerry geparkt. Die beiden finden keinerlei Draht zueinander und machen aus ihrer gegenseitigen Verachtung keinen Hehl. Das ändert sich erst, als Alice (Isabell Polak) Gerry gesteht, dass Manuel sein Sohn ist. Als habe er nur auf einen Anlass gewartet, geht plötzlich ein derartiger Ruck durch sein Leben, dass sich selbst Manuels Lehrerin Rebecca (Julia Koschitz) auf ihn einlässt.

Das klingt zwar nach der üblichen „Plötzlich Papa“-Dramaturgie – egoistischer Single wird ein besserer Mensch –, aber das Autorenduo Stefan Hafner und Thomas Weingartner (Drehbuchvorlage war der gleichnamige Roman von Daniel Glattauer) und der Regiedebütant Daniel Prochaska bleiben nicht nur ihrer Linie, sondern auch der Hauptfigur treu. Üblicherweise lässt die ARD-Tochter Degeto solche Geschichten im Rahmen ihrer Freitagsfilme erzählen: schön bunt und kurzweilig und mit viel gefälliger Popmusik unterlegt. Kurzweilig ist „Geschenkt“ ebenfalls, aber der Look ist ein ganz anderer, und die Musik auch. Der langjährige Filmeditor Prochaska, Sohn des hierzulande vor allem für seine vorzügliche ZDF-Reihe „Spuren des Bösen“ bekannten Regisseurs Andreas Prochaska, hat die Bilder in schwere, erdige Farben getaucht (Kamera: Matthias Pötsch), was gerade den Szenen in der Kneipe eine ganz eigene Atmosphäre aus unbehaglicher Gemütlichkeit verleiht.

Krachend unkorrekte Dialoge

Dort, in Zoltans Bar, trifft sich Gerry regelmäßig mit zwei Brüdern im Geiste (Clemens Berndorff, Marcel Mohab); das Trio scheint mehr oder weniger im Alleingang dafür zu sorgen, dass Zoltan (Gerhard Liebmann), dessen Schweigen Bände spricht, über die Runden kommt. Ausgerechnet die verhasste Arbeit bewirkt, dass Gerry, der sich eigentlich als Schriftsteller sieht, bisher aber nur ein Romanfragment zustande gebracht hat, indirekt doch für etwas gut ist: Wenn er über eine karitative Einrichtung schreibt, erfolgt prompt eine anonyme Spende in Höhe von 10 000 Euro. Auf diese Weise kommt es auch zum Rendezvous mit Rebecca, die Flüchtlingen Deutsch beibringt und sich Gerry beim feuchtfröhlichen Date mit Erfolg schöntrinkt. Weil der Journalist wie alle Zyniker ein enttäuschter Idealist ist, wirkt sein Sinneswandel durchaus glaubwürdig, wenn er sich schließlich dafür einsetzt, dass Manuels nigerianischer Freund samt Familie in Österreich bleiben darf. Als ihm seine Chefin eröffnet, dass positive Artikel über Flüchtlinge nicht ins Blatt kommen, kündigt er kurzerhand und betreibt fortan mehr schlecht als recht einen Videoblog.

Den größten Spaß macht neben den gern auch mal politisch krachend unkorrekten Dialogen und den mit Ausnahme von Julia Koschitz hierzulande kaum bekannten, aber sehenswerten Darstellern die Liebe zum romantischen Detail, wobei Prochaska stets gern eine ironische Distanz einbaut: Als einer seiner Trinkkumpane Gerry wegen der anonymen Spenden als „Glücksengel“ bezeichnet, wachsen dem Journalisten prompt Engelsflügel, während er am Pissoir steht; aber dann kommt er mit den Schwingen nicht mehr durch die Kneipentür. Diese kleinen Brüche erinnern in Kombination mit der bedrückenden Farbgebung und einer trotzigen Melancholie an die Stimmung, die der Österreicher Ludwig Hirsch mit seinen Liedern verbreitet hat. Das einheimische Liedgut, das der Regisseur ausgewählt hat, verbreitet zwar auch nicht gerade optimistische Stimmung, stammt aber von Georg Danzer und der Grazer Mundart-Band Granada.