Der ZDF-Film „Rufmord“ zeigt den modernen Horror für Lehrer und das Böse im Menschen. Rosalie Thomass spielt ganz großartig eine Frau unter zermürbendem Druck.

Stuttgart - Der Horror hat für viele Grundschullehrer mittlerweile eine ganz eigene fiese Fratze. Er kommt in Gestalt von Eltern, die ihr Kind nicht nur bis durch die Klassenzimmertür knuddeln, sondern eine Realschulempfehlung null akzeptieren. Ein altes Lied, deprimierende Dauerberieselung im Land.

 

In „Rufmord“ taucht eine besonders heimtückische Variante dieses Grauens auf: „Das geht nicht“, sagt Georg Bär (Johann von Bülow) äußerst unangenehm zur Grundschullehrerin Luisa Jobst (Rosalie Thomass), die seinen Sohn nicht für gymnasialtauglich hält. Widerlich klingen Bärs drei harmlose Worte nicht nur, weil er, der Unternehmer und finanzielle Unterstützer vieler Aktivitäten an der Schule und im Dorf, damit seine Macht markiert. Sein „Das geht nicht“ klingt wie: „Mit Dir, liebe Lehrerin, ginge allerdings einiges“.

Nacktaufnahmen der Dorf-Monroe

Umzingelt von einer verschworenen, eng miteinander verwobenen bayerischen Dorfgemeinschaft, wirkt die Neue, Luisa Jobst, überlebensgroß wie Marilyn Monroe. Von Kolleginnen und Schülermüttern schnell gehasst, von Männern angehimmelt. Dabei ist sie einfach nur glücklich mit ihrem Schreiner Finn (Shenja Lacher). Der hat für die Dorf-Monroe allerdings seine Langzeitliebe verlassen. Wieder kein Sympathiepunkt für Luisa Jobst.

Und jetzt kursieren auch noch Nacktaufnahmen von ihr auf der Schul-Homepage. Kann ja nur der mehrfach frustrierte Bär dahinterstecken, oder nicht? Und hinter ihrem Verschwinden gleich mit. Denn von Minute eins an weiß der Zuschauer: Luisa Jobst ist verschwunden. Es war wohl Selbstmord. Oder Mord. Oder doch nicht? Verdächtige gibt es im Dorf genug. Lästereien liegen hier dichter in der Luft als Sauerstoff.

Listig vorwärts und rückwärts erzählt die Regisseurin Viviane Andereggen von einem ruinierten Leben, von falschem Zusammenhalt und schwachen Menschen. Viel mehr als um Cybermobbing geht es Andereggen um die Frage, „wie dünn der Firnis der Solidarität in einer Gemeinschaft ist, wie schnell sich Menschen von Meinungen und Lügen verunsichern lassen und bereit sind, diese zu akzeptieren und zu glauben“.

Härter als ein Spießrutenlauf

Jobst überlebt eine verbale Steinigung bei ihrem letzten Elternabend. Die Frau, die bereits zuvor ihr Vertrauen in ihre Mitmenschen verloren hatte, besaß vielleicht schon da gar kein Leben mehr. Überragend winden sich die Hauptdarsteller durch die Abwärtsspirale. Die Autorinnen Claudia Kaufmann und Britta Stöckle schicken sie durch eine schmerzhafte Erzählung, die man als Spießrutenlauf bezeichnen könnte – dann würde man Bomben allerdings wohl auch Wattebausch nennen.

Wo führt das bloß hin, wenn der Glaube ans Gute verloren geht? Und was kann das mit einem machen? Das wird erst ganz am Schluss klar. Am unglaublichen Ende. Am unglaublich guten Ende, das kein Happy End sein kann.

Ausstrahlung: ZDF, 1. April 2019, 20.15 Uhr