Ein lesbisches Paar bekommt ein Baby. Alles scheint im ARD-Fernsehfilm „Unser Kind“ geklärt, auch mit dem biologischen Vater. Da stirbt überraschend die leibliche Mutter. Ein bitterer Streit ums Sorgerecht beginnt.

Stuttgart - Auf den ersten Blick wirkt die Geschichte ziemlich konstruiert, selbst wenn es vermutlich authentische Vorbilder gibt: Ein weibliches Paar erfüllt sich seinen Kinderwunsch, indem sich eine der Frauen mit dem Samen eines Freundes künstlich befruchten lässt. Als die leibliche Mutter stirbt, entbrennt ein Sorgerechtsstreit zwischen ihrer Lebenspartnerin, dem Samenspender und den Eltern der Verstorbenen.

 

Die Konstellation erinnert an das Drama „Das deutsche Kind“, das die ARD im Frühjahr ausgestrahlt hat. Auch darin ging es um die Frage, ob eine Mutter ihr Kind vererben darf; auch darin wollten die Großeltern verhindern, dass ihr Enkelkind in vermeintlich falsche Hände gerät.

Streit ums Sorgerecht

Mit dem Erzeuger ergänzt die Autorin Kristl Philippi das Personal um eine weitere wichtige Rolle, aber zentrale Figur ist die zweite Frau: Ausgerechnet Ellen (Susanne Wolff), ohne deren Kinderwunsch der kleine Franz gar nicht existieren würde, hat beim Streit um das Sorgerecht die schlechtesten Karten. Zwar gibt es Bestrebungen, solche Frauen zur „Mit-Mutter“ zu erklären, aber in Deutschland gilt eine Lebensgefährtin nicht automatisch als Elternteil, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war.

Selbst ein Drama mit derart speziellem Sujet lebt von den Zwischenmenschlichkeiten, weshalb emotionale Authentizität mindestens so entscheidend ist wie die Korrektheit der juristischen Details. Weil es gleich sechs wichtige Figuren gibt, ist „Unser Kind“ letztlich ein Ensemblefilm, ein vorzüglich besetzter: Ernst Stötzner und Victoria Trauttmansdorff spielen die Großeltern, Andreas Döhler den Erzeuger, Lisa Wagner dessen Lebensgefährtin, die kein Verständnis dafür hat, dass ihr Freund sein Versprechen bricht, keine Vaterschaftsansprüche anzumelden.

Keine Gebrauchsanweisung

Dank einer reizvollen Rückblendenkonstruktion wirkt auch die leibliche Mutter mit. Der Film beginnt mit der Trauerfeier für die verstorbene Katharina (Britta Hammelstein), dann folgt ein Schnitt auf den Moment, als sich die beiden Frauen entschließen, ein Kind zu bekommen. Gerade die Montage dieser Zeitsprünge macht einen großen Reiz der Geschichte aus. Da der Film auf eine entsprechende Gebrauchsanweisung verzichtet, ist nicht immer sofort klar, auf welcher Zeitebene die Handlung gerade stattfindet.

Deutlich wird jedoch, dass es nach der Geburt zwischen Ellen und Katharina gekriselt hat. Trotzdem wäre Ellen die juristische Auseinandersetzung erspart geblieben, hätte sie den kleinen Franz gleich nach seiner Geburt adoptieren dürfen. Aber eine Frau vom Jugendamt bestand auf einem Adoptionspflegejahr. Katharina hatte die entsprechenden Unterlagen dabei, als sie von einem Auto erfasst wurde, seither ist die Mappe verschwunden.

Ein Opa will nachholen

Ellen wiederum ist mit der Doppelbelastung durch Arbeit und Kind trotz Tagesmutter überfordert. Schwiegermutter Evelyn macht zwar keinen Hehl aus ihrem ungerechten Trauerwunsch, statt Katharina wäre doch besser Ellen gestorben, aber Schwiegervater Johannes hat als Rentner viel Zeit, kümmert sich liebevoll um den kleinen Franz und würde ihn am liebsten gar nicht mehr hergeben. Offensichtlich will er beim Enkel nachholen, was er aus beruflichen Gründen in der Kindheit der Tochter verpasst hat.

Für Regisseurin Nana Neul ist „Unser Kind“ nach der unangestrengten Degeto-Beziehungskomödie „Eine Sommerliebe zu dritt“ (2016) zwar ein echtes Kontrastprogramm, aber Dramen sind ihr nicht fremd. Zuvor hatte sie, ebenfalls mit Stötzner und Trauttmansdorff, „Stiller Sommer“ (2014) gedreht. Schon ihr Debüt (2008) „Mein Freund aus Faro“, eine etwas missglückte Liebesgeschichte unter falschem Vorzeichen, war vor allem darstellerisch sehenswert.

Das gilt auch für „Unser Kind“, weil es den Mitwirkenden überzeugend gelingt, die Konstruiertheit des Konflikts zu überspielen. Dennoch ist es vor allem die Erzählweise, die den Reiz des Films ausmacht: Einige der Rückblenden werden später noch mal aufgegriffen, und erst jetzt erschließt sich ihre wahre Bedeutung.

Ausstrahlung: ARD, 7. November 2018, 20.15 Uhr