Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ über das Drama des Guantánamo–Häftlings Murat Kurnaz ist eine Hommage an dessen Mutter.

Ein Mann wird fünf Jahre lang ohne Anklage fern der Heimat gefangen gehalten. Ständig hagelt es Schläge und Tritte. Hinzu kommt die Isolationsfolter in einem permanent hell erleuchteten Raum, in dem er abwechselnd großer Hitze und bitterer Kälte ausgesetzt wird. Er soll endlich gestehen, dass er ein islamistischer Terrorist ist; aber es gibt nichts, was er hätte gestehen können.

 

Stefan Schaller hat die Geschichte von Murat Kurnaz in seinem Debüt „Fünf Jahre Leben“ (2013) erzählt: Der Deutschtürke aus Bremen ist im Herbst 2001 nach Pakistan geflogen, um sich in einer Koranschule auf die Ehe vorzubereiten. Dort wurde er verhaftet und an die US-Armee ausgeliefert, die ihn schließlich ins Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba verlegte. Im August 2006 wurde er endlich wieder freigelassen.

Kein befriedigender Ansatz

Andreas Dresen wollte den Stoff bereits 2008 verfilmen, aber er fand keinen befriedigenden Ansatz: „Alle Entwürfe verloren sich in trostloser Ausweglosigkeit.“ Das änderte sich, als er Rabiye Kurnaz kennenlernte, Murats Mutter; nun hatte er seine Hauptfigur gefunden. Die Idee, die Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen, wird allerdings noch übertroffen von der Wahl der Hauptdarstellerin. Die Komödiantin Meltem Kaptan, geboren in Gütersloh, spielt in „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ ihre erste Hauptrolle – und macht das grandios.

Der Film ist keine Komödie, aber immer wieder verblüffend witzig, weil Kaptan die Frau mit einer berückenden Mischung aus Herzlichkeit, Naivität und Witz verkörpert. Natürlich gibt es auch nachdenkliche und melancholische Momente, aber über weite Strecken dominiert Rabiyes unerschütterliche Zuversicht. Meltem Kaptan ist bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären für die beste Hauptrolle ausgezeichnet worden.

Preis für das beste Drehbuch

Auch Grimme-Preisträgerin Laila Stieler konnte mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch ihren vielen Ehrungen eine weitere hinzufügen; „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ ist bereits ihre siebte Zusammenarbeit mit Dresen. Eine besondere Herausforderung dürfte neben der Würze des Dramas mit unerwarteten Humoresken die Mehrsprachigkeit des Drehbuchs gewesen sein, denn Familie Kurnaz wechselt bei ihren Gesprächen mitten im Satz vom Deutschen ins Türkische. Später, als Rabiye gemeinsam mit ihrem Anwalt nach Washington reist, kommt auch noch Englisch dazu.

Den Juristen verkörpert Alexander Scheer, der für Dresen auch schon die Titelfigur in „Gundermann“ (2019) gespielt und dafür unter anderem den Deutschen Filmpreis bekommen hat. Eigentlich müsste er längst ein Star sein. Dass er das nicht ist, hängt mit seinem Talent zusammen, wie ein Chamäleon in seinen Rollen aufzugehen. Der schmale Menschenrechtsanwalt ist ein völlig anderer Typ als seine extrovertierte Mandantin. Darin liegt der Reiz der gemeinsamen Szenen: Die beiden sind wie Herz und Verstand. Natürlich ist es von erheblicher Bedeutung für die positive Botschaft des Films, dass sie ihr Ziel schließlich tatsächlich erreichen: „Die Welt, so monolithisch sie auch erscheinen mag, ist veränderbar“, sagt Dresen.

Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush. Sonntag, 24. November, 23.35 Uhr, ARD