Beim TVB Stuttgart stimmte zuletzt nur das Ergebnis nicht, Frisch Auf Göppingen versagte dagegen auf ganzer Linie. Beide Handball-Bundesligisten stehen nun massiv unter Druck. Eine Bestandsaufnahme.

Sport: Jürgen Frey (jüf)

Stuttgart/Göppingen – Es war eine richtig starke (Angriffs)-Leistung, die der TVB Stuttgart am Sonntag bei den Rhein-Neckar Löwen zeigte. Am Ende setzte es vor 6523 Zuschauern aber ein 32:33 (14:14). Damit hat das Team mit 6:20 Zählern nach Pluspunkten keinen Vorsprung mehr auf einen Abstiegsplatz. „Wir haben super gekämpft, spielen stabil, aber leider reicht es nicht zu etwas Zählbarem“, sagte Trainer Jürgen Schweikardt. Im Gegensatz zum Spiel bei den Löwen, wo der TVB als krasser Außenseiter nichts zu verlieren hatte, steigt der Duck am kommenden Sonntag (13.30 Uhr/Scharrena) gegen Schlusslicht HSG Norndhorn-Lingen gewaltig. „Ein sehr bedeutendes Spiel ist das“, weiß Schweikardt. „Es wäre fatal, wenn wir nicht gewinnen würden“, ergänzt Kreisläufer Manuel Späth.

 

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Der 34-jährige Abwehrspezialist verlässt den TVB am Saisonende (Ziel unbekannt) und möchte sich mit einer möglichst guten Platzierung aus Stuttgart verabschieden. Warum man den Erwartungen hinterherhinkt? „Die Kombination aus vielen Neuzugängen und vielen Verletzten zu Saisonbeginn machte es schwierig“, sagt der Routinier. Mit dem 23:23 gegen Meister SG Flensburg-Handewitt und dem 25:25 beim heimstarken HBW Balingen-Weilstetten schien es aufwärts zu gehen, doch dann folgte der desolate Heimauftritt beim 25:31 gegen den Bergischen HC. „Da hatte jeder Einzelne einen gebrauchten Tag. Umso ärgerlicher ist es, dass wir an unseren guten Tagen wie in den Spielen gegen Lemgo, Flensburg und Balingen nur unentschieden spielen oder jetzt in Mannheim komplett leer ausgehen“, sagt Schweikardt.

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Ganz bewusst hatten er und die Gesellschafter sich vor der Saison (der fünften nach dem Aufstieg in der Bundesliga) für einen ziemlich radikalen personellen Umbruch entschieden. „Wir hatten ein Team mit einem gewissen Alter, das keine großen Entwicklungsschritte mehr machen konnte. Also musste der Umbruch kommen, um in zwei, drei Jahren ein höheres Niveau zu erreichen“, argumentierte Schweikardt.

Der nächste Schritt ist am Standort Stuttgart auch nötig, um sich in der Landeshauptstadt weiter zu etablieren. Wobei auch Routinier Späth weiß, wie schwer das ist: „Der Unterschied zu den Top-Ten-Mannschaften ist nicht zu unterschätzen. Um das nächste Level zu erreichen, ist es wichtig zwei, drei Jahre mit einem eingespielten Team zu agieren.“ Die Chance, mehr als ein Ausrufezeichen zu setzen, bietet sich am 3. Dezember (20 Uhr/Scharrena): Mit einem Sieg gegen den THW Kiel wäre das Final Four im DHB-Pokal erstmals erreicht. Doch erst einmal gilt die volle Konzentration dem Spiel zwei Tage vorher gegen Nordhorn.

Frisch Auf Göppingen

Es gibt Spiele im Sport, da verbietet es sich, zur Tagesordnung überzugehen. Das 17:30 (7:16) von Frisch Auf Göppingen bei der MT Melsungen war solch ein Spiel. Der Sportliche Leiter Christian Schöne sagte nach dem Debakel am vergangenen Donnerstag: „Ich bin sprachlos und schockiert.“ Der Kreisläufer Kresimir Kozina gab unumwunden zu: „Wir haben alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.“ Der Geschäftsführer Gerd Hofele fand: „Das war eine Katastrophe.“ Und Trainer Hartmut Mayerhoffer gestand mit Blick auf 26 Fehlwürfe und 14 technische Fehler ein: „Das war nicht bundesligatauglich.“

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Das schreit förmlich nach Konsequenzen. Doch erst einmal gab es für die Mannschaft am Wochenende wie geplant zwei freie Tage: Köpfe frei kriegen, statt Straftraining, hieß das Motto. „Am Montag werden wir intern alles genau besprechen“, erklärte Hofele. Auch der Trainer steht nach der 26:32-Derby-Heimpleite gegen den inzwischen in der Tabelle vorbeigezogenen Aufsteiger HBW Balingen-Weilstetten, dem Offenbarungseid in Kassel gegen Melsungen und enttäuschenden 11:17 Punkten in der Kritik. Doch von einem Endspiel für Mayerhoffer am kommenden Donnerstag (19 Uhr/EWS-Arena) gegen den Tabellen-Zehnten HSG Wetzlar will keiner etwas wissen. „Das ist überhaupt kein Thema, wir nehmen vielmehr jeden einzelnen Spieler in die Pflicht“, stellt Schöne klar. Kozina zeigt sich selbstkritisch: „Es liegt nicht am Trainer. Wir älteren Spieler müssen die Verantwortung übernehmen und liefern. Jeder weiß, was gegen Wetzlar auf dem Spiel steht.“

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Fest steht: Wie bereits seinen Kollegen in den vergangenen Jahren gelingt es auch Mayerhoffer nicht, Konstanz in die Leistungen der Mannschaft zu bringen. Nach großartigen Erfolgen wie etwa im EHF-Pokal (Siege 2011, 2012, 2016, 2017) gab es immer wieder Rückschläge gegen vermeintliche schwächere Gegner. Das nervt die Fans, die Zuschauerzahlen bröckeln, die Stimmung ist am Gefrierpunkt. Nach den Bundesliga-Plätzen fünf (2014/15) und sechs (2015/16) ging es nicht auf-, sondern abwärts. Es folgten zweimal die Plätze zehn (2016/17 und 2017/18) sowie Rang acht (2018/19). „Wir haben in unserer besten Zeit über unsere Verhältnisse gespielt“, argumentiert Schöne mit Blick auf „Platz acht oder neun in der Etat-Tabelle“. Und auch Geschäftsführer Hofele verweist bei der Frage, warum die Erfolge nicht verstetigt wurden, auf die Finanzen: „Nach dem Europapokalsieg 2017 sind uns von 3300 Dauerkarten 600 weggebrochen.“ Er macht die zuschauerunfreundlichen Anwurfzeiten in Zusammenhang mit dem neuen Fernsehvertrag dafür verantwortlich. Was nur die halbe Wahrheit ist: Die Mannschaft hatte ihre Fans im Bundesligaalltag zu selten überzeugt.

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Im zweiten Jahr unter Mayerhoffer lautete das Ziel in dieser Saison Rang sieben. Nach dem 0:8-Punkte-Fehlstart schien das Team mit den danach folgenden 11:3 Zählern die Kurve nach oben zu bekommen – trotz Verletzungsproblemen, keiner Nachverpflichtung und Diskussionen um Linkshänder Srdjan Predragovic, der noch keine Minute gespielt hat und beim dänischen Club Kif Kolding im Gespräch ist.

Die Anzeichen auf eine Verlängerung des am Saisonende auslaufenden Trainer-Vertrags verdichteten sich in dieser starken Phase. Doch nach den jüngsten Auftritten und 0:6 Punkten ist wieder alles offen. Völlig offen.