Die Geschichte um den Tweet des im Zug eingeschlafenen 16-Jährigen aus dem Stuttgarter Zugdepot hätte mit einem Schmunzeln beendet sein können. Ist sie aber nicht. Die Bahn hat den Fall bei der Bundespolizei gemeldet, und die ermittelt jetzt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Geschichte von dem im Zug eingeschlafenen 16-Jährigen, der aus dem Bahndepot via Twitter um Hilfe gebeten hatte, dürfte für die meisten mit einem Schmunzeln beendet gewesen sein. Nicht so für die Bahn: Sie hat die zuständige Bundespolizei über den Fall informiert – und die wiederum bestätigte am Donnerstag auf StZ-Anfrage, dass sie Ermittlungen aufgenommen hat. Möglicherweise habe sich der Schüler unerlaubt im Gleisbereich aufgehalten. Das kann laut einem Informationsblatt der Bahn mit einer Geldbuße von bis zu 5 000 Euro geahndet werden.

 

Bei der Bahn hatte man erst nach einer Anfrage der Stuttgarter Zeitung von dem Vorgang am frühen Sonntagmorgen erfahren. In der Folge gab es im Netz nicht nur Lacher über den unbeholfenen Tweet des 16-Jährigen – es kam auch die Frage auf, ob die Bahn schlicht ihre Züge nicht sorgfältig genug kontrolliere.

Die Bahn geht in die Offensive

Nachdem die Bahn den Fall untersucht hatte, ging sie in die Offensive. Man glaube dem 16-Jährigen nicht, sagte ein Sprecher zur StZ. Der hatte gesagt, er sei eingeschlafen und dann mit dem Zug auf den Abstellbahnhof gefahren worden; anschließend sei er aus dem Zug gestiegen, ein wenig über die Abstellgleise geirrt und habe dann einen Weg raus aus dem Abstellbahnhof gefunden.

Die Bahn hält dagegen: Der betreffende Zug sei vor der Abfahrt Richtung Abstellbahnhof vom Lokführer und vom Zugbegleiter kontrolliert worden; man habe zwar einen älteren Fahrgast gefunden und geweckt, aber keinen 16-Jährigen. Der Schüler beteuert, er habe im ersten Wagen im oberen Stockwerk gesessen: „Was weiß ich, warum die mich nicht gefunden haben?“

Ein Fake?

Bei der Bahn ist man inzwischen sogar überzeugt, dass es sich um einen „Fake“ (Zitat des Bahnsprechers) handelt. Als Beweis wird ein Screenshot angeführt, bei dem der Tweet des 16-Jährigen auf 15:39 Uhr terminiert ist. Allerdings zeigt Twitter oft unterschiedliche Uhrzeiten bei ein und demselben Tweet an – etwa, wenn die Zeitzone falsch eingestellt ist. In der StZ-Onlineredaktion, deren Twitter-Account auf mitteleuropäische Winterzeit eingestellt ist, wird der entsprechende Tweet auf Sonntagmorgen, 2:39 Uhr terminiert.

Möglich, dass die Bundespolizei bei ihren Ermittlungen in dem Fall auch solche Details zu berücksichtigen hat. Offenbar ist die Bahn fest entschlossen, zu demonstrieren, dass sie sich in dieser Sache korrekt verhalten hat. Der Bahn-Sprecher erklärte, er habe sich die getwitterten Fotos gemeinsam mit einem Angestellten vom Abstellbahnhof angesehen. Der 16-Jährige sei „nachweislich“ am Zug entlang gegangen, jedoch nicht Richtung Abstellbahnhof, sondern Richtung Hauptbahnhof, so der Sprecher – „ich vermute mal, dass er noch das Foto machen wollte, das er dann herumgeschickt hat“.

Aussage gegen Aussage

Da allerdings steht Aussage gegen Aussage: Der 16-Jährige beteuert gegenüber der StZ, er habe lediglich nach einem Weg aus dem Bahndepot gesucht (und den letztlich auch gefunden). Wer sich im Abstellbahnhof nicht auskenne, könne auch mal in die falsche Richtung gehen. „Jetzt tut die Bahn alles, damit ich der Dumme bin und sie alles richtig gemacht hat“, ärgert sich der Schüler.

Gesetzt, die Version des 16-Jährigen stimmt: Was hätte er korrekterweise tun müssen, nachdem er im Abstellbahnhof aufgewacht ist? Auf keinen Fall selbstständig aussteigen, sagt ein Sprecher der Bundespolizei: Bahnanlagen seien für Unbefugte nicht nur tabu, sondern auch höchst gefährlich. Der 16-Jährige hätte besser die 0800 6888 000 gewählt, so der Sprecher weiter. Wer diese Nummer nicht kennt: es ist die Notfallnummer der Bundespolizei. Die holt einen in solchen Fällen raus – das ist sicher und, je nach dem weiteren Verhalten der Bahn, mutmaßlich günstiger.