Gebete werden oft geflüstert - oder im Gottesdienst gemeinsam gesprochen. In Magdeburg wurden sie am Freitag hingegen getippt, in 140 Zeichen, für alle online zum Mitlesen.
Magdeburg - Manchmal stehen die Quadrate mit den Botschaften eine halbe Minute lang still. Mal hasten sie im Sekundentakt über die Leinwand in der kühlen Magdeburger Wallonerkirche. Es sind Gedanken, Gebete, Grüße aus ganz Deutschland. Versendet über Twitter, über Instagram - oder als handschriftliche Notiz auf klassischen Karteikarten. Es ist eine sogenannte Twitter-Wall, eine Sammlung aus Kurznachrichten, die am Freitagabend den Gottesdienst in der Wallonerkirche beherrscht und lenkt. Jeder kann mitlesen, eine Auswahl wird in die Gebete des Abends eingebaut. Die Kirche geht online. Die Macher des Magdeburger „Kirchentags auf dem Weg“ wollen nicht nur ihre Botschaft senden, sondern auch Antworten bekommen.
Die beiden Pfarrer Christoph Breit und Ralf Peter Reimann sprechen nicht nur zu den rund 40 Menschen in der Kirche selbst - über Glaubensnachrichten, also Faith News statt Falschinformationen, sogenannte Fake News. Der Gottesdienst flimmert auch über Live-Streams und Fernseher - und die Zuschauer sollen antworten. Auf 140 Zeichen und mit dem Hashtag #twigo, damit er im Netzgewusel auch entdeckt wird. „Es ist auch für uns ein Experiment“, sagt Reimann zum Start. „Es kann gelingen, wenn wir alle mitmachen.“
Hashtag #twigo
Kurz darauf trudeln Grüße und Gedanken ein. Er bete für alle, die von Terror betroffen sind, twittert einer. „Ich glaube an die gottgegebene Liebe unter den Menschen“, schickt eine andere Nutzerin. Die Beteiligung ist so groß, dass #twigo während des Gottesdienstes zu den am häufigsten genutzten Twitter-Hashtags wird. Aktiv dabei sind auch die beiden Konfirmanden Christian (13) und Florian (12) aus dem thüringischen Meiningen. Sie lesen immer wieder Tweets vor.
Glauben leben online
Die christlichen Kirchen müssen seit Jahren mit einem Mitgliederschwund leben. Laut Statistischem Bundesamt waren zuletzt noch knapp 22,3 Millionen Deutsche in der Evangelischen Kirche, knapp drei Millionen weniger als noch zehn Jahre zuvor. Um die Neugier junger Menschen an Kirche zu wecken, sei das Internet ein interessantes Experimentierfeld, sagt Pastor Reimann. Er ist seit 2012 Internetbeauftragte der Evangelischen Kirche im Rheinland, organisierte schon ein paar Twittergottesdienste. „Es ist wieder ein Gefühl der Verbundenheit entstanden“, sagt er nach dem Gottesdienst. „Der Abend war nicht perfekt, aber nah bei den Menschen.“
„Da können dann Gläubige vom Seniorenheim aus genauso ihre vertrauten und lokalen Pfarrer und Gemeinden begleiten wie Neugierige, die erst einmal schnuppern wollen, ohne als Neuling direkt beäugt zu werden.“