Große historische Zusammenhänge in 140 Zeichen: Mit dem Geschichtsprojekt "1914Tweets" dokumentieren zwei Stuttgarter Hobby-Historiker das Jahr 1914 und damit den Beginn des Ersten Weltkrieges auf Twitter - auch weil sie von ahistorischen Diskussionen im Netz genervt sind.

Digital Desk: Anja Treiber (atr)

Stuttgart - Es geht um den Ersten Weltkrieg und große historische Zusammenhänge, die bis heute ihre Wirkung zeitigen – und doch beginnt jeder Tag des Geschichtsprojekts „1914Tweets“ mit etwas Banalem: dem Wetter-Tweet.

 

So begrüßen die beiden Hobby-Historiker Dirk Baranek und Christian Soeder jeden Morgen ihre mehr als 5000 Follower. Getaktet in 140 Zeichen dokumentieren sie eine Chronik des Jahres 1914. Das Jahr, in dem der Erste Weltkrieg ausgebrochen ist.

In bis zu zwanzig Tweets am Tag versuchen sie, angereichert mit zahlreichen Bilddokumenten und einigen Audiodateien, ihren Followern den Weg in den Ersten Weltkrieg, dessen Beginn und Verlauf zu vermitteln – und das, wenn möglich, in Echtzeit. „Wenn wir bei unseren Recherchen konkrete Zeitangaben in unseren Quellen finden, datieren wir den Tweet genau auf diese Uhrzeit“, erläutert Baranek. Jeder Tag soll zeigen, was damals vor genau einhundert Jahren passiert ist.

Auch bemerkenswerte Fundstücke aus Stuttgart haben ihren Platz im Twitter-Feed:

„Eigentlich ist das eine Schnapsidee gewesen. Aus einer Laune heraus haben wir einfach damit angefangen – ohne den großen Masterplan zu haben“, sagt Dirk Baranek. Wenige Tage später habe der Twitter-Account bereits tausend Follower gehabt. So wurde aus der spontanen Idee ein ziemlich aufwendiges Projekt, das die beiden nicht mehr so einfach beenden konnten.

Baranek und Soeder sind ausgebildete Historiker. Tagsüber verdienen sie ihr Geld als Experten für Social-Media-Kommunikation. Nach Feierabend werden dann die digitalisierten Sammlungen europäischer und amerikanischer Zeitungen, Geschichtsbücher und Wikipedia durchforstet. Den Fokus wollten sie vor allem auf die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs legen. „In den sozialen Netzwerken werden Diskussionen häufig ahistorisch geführt, es wird viel zu oft außer Acht gelassen, wie Dinge entstanden sind. Das hat mich schon häufig geärgert“, sagt der 55-jährige Baranek.

Das Ziel sind zehntausend Follower

Die ersten mit der Idee, in dieser Form Geschichte zu erzählen, sind die Stuttgarter nicht. Eines ihrer Vorbilder war das Geschichtsprojekt „Heute vor 75 Jahren“, für das junge Historiker die Wochen vor und nach dem Jahrestag der Reichspogromnacht in Tweets dokumentiert haben. „Am Erfolg dieses Projekts konnte man ablesen, dass es auf Twitter ein gewisses Interesse an einer solchen Aufbereitung an historischen Themen gibt“, sagt Baranek.

Auch Kritik sei nicht ausgeblieben. „Einige Online-Geschichts-Blogger haben sich daran gestört, dass in den Tweets nicht auf die Quellen verlinkt wird“, sagt er. Geändert haben sie ihr Konzept deshalb nicht. Bis zum Ende des Jahres werden die beiden noch weiter machen. Bis dahin hofft Baranek, zehntausend Follower erreichen zu können.

Auch die StZ-Serie über die Feldpostbriefe des Stuttgarter Adolf Mann geben Einblick in das Leben eines Frontsoldaten. Wie die Stadt Stuttgart zu Kriegszeiten aussah, sehen Sie in einer interaktiven Karte zum Ersten Weltkrieg.