Die Stuttgarter Straßenbahnen haben den neuen U-12-Streckenast in Richtung Dürrlewang eröffnet.

Dürrlewang - Etwas unruhig treten die Menschen auf dem Bahnsteig am Möhringer Bahnhof von einem Fuß auf den anderen. Es ist die lokale Prominenz, geladene Gäste. „War das jetzt unsere Bahn“, fragt eine Bezirksbeirätin und blickt einer U 12 hinterher. „Nein, da stand doch Vaihingen drauf und nicht Dürrlewang“, bekommt sie zur Antwort. Stimmt, denn an diesem Freitagnachmittag, 13. Mai, fahren die ersten Stadbahnen bis nach Dürrlewang. Die Menschen in Möhringen warten auf den geschmückten Wagen, der aus der Innenstadt kommt. Mit etwa vier Minuten Verspätung biegt der um die Kurve zwischen der Hedwigsskirche und dem Möhringer Bahnhof. „Für den Anfang nicht schlecht“, sagt einer der geladenen Gäste.

 

Parallelfahrt der beiden Bahnen

Wer glaubt, Bahnen können aus irgendwelchen technischen Gründen nicht dauerhaft im Schritttempo fahren, und das auch noch nebeneinander her, der täuscht sich. Denn mit zwei Zügen rollen die Straßenbahner quasi im Parallelflug ihrem Ziel entgegen. Das zweite Fahrzeug wartet zu diesem Zweck auf dem SSB-Gelände am Wallgraben, und kurz vor der Haltestelle mit eben diesem Namen vereinen sie sich. Um das klar zu stellen: Einer der beiden Züge ist also als Geisterfahrer unterwegs, und unterwegs winken sich die Fahrgäste gegenseitig zu. Damit nichts passiert, sperren Mitarbeiter des Nahverkehrsunternehmens die entgegenkommende Strecke. Jedenfalls gelangt der Tross ohne weitere Zwischenfälle bis nach Dürrlewang, in Richtung Straßenfest.

Kinder taufen den Wagen

Dann beginnt der offizielle Teil. Der SSB-Vorstandssprecher Wolfgang Arnold lässt die Bauarbeiten Revue passieren: Uwe Lahl, Ministerialdirektor für Verkehr und Infrastruktur, spricht von einem guten Anfang für die neue Landesregierung, die an diesem Tag ihre Arbeit aufnimmt. Und OB Fritz Kuhn unterstreicht die Wichtigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Mädchen und Jungen des Kindergartens Bärcheninsel warten mehr oder weniger geduldig, bis sie an der Reihe sind. Dann dürfen sie zusammen mit dem Möhringer Bezirksvorsteher Jürgen Lohmann und dem Vaihinger Bezirksvorsteher Wolfgang Meinhardt einen der beiden Stadtbahnwagen auf den Namen „Dürrlewang“ taufen. Dazu haben sie Gießkannen mitgebracht und ein Lied vorbereitet. Steffen Habann begleitet sie mit seiner Mini-Gitarre. „Die Kinder haben sich auf diesen Termin gefreut, denn sie lieben die Stadtbahn“, sagt der Erzieher.

Kontroverse Diskussion

Auch Frank Otto Huber denkt bei der Stadtbahn vor allem an die jüngeren Generationen. Die Eröffnung des neuen Streckenasts sei „ein guter Schritt in Richtung einer nachhaltigen Zukunft“, sagt der Vorsitzende des Bürgervereins Vaihingen-Rohr-Büsnau und ergänzt: „Ich höre rundum nur Gutes.“ Die Streckenführung gefalle, die Kreisverkehre gefallen – „einfach alles“, sagt Huber. Das war freilich nicht immer so. Auch Wolfgang Arnold hatte in seiner Rede die „kontroverse Diskussion“ unter den Dürrlewangern nicht unerwähnt gelassen. An einem „denkwürdigen Abend“ habe der Bürgerverein Gegnern und Befürworter zusammengebracht. Auch für die Entscheidung des Gemeinderats, der damals mit nur einer Gegenstimme für den Stadtbahnbau votierte, sei dieser Infoabend eine wichtige Voraussetzung gewesen, so der SSB-Vorstandssprecher. Die Bauzeit sei aber schon zäh gewesen, gibt Huber zu: „Man musste immer ein großes Zeitfenster einplanen, wenn man was im Gewerbegebiet zu erledigen hatte.“Doch dafür gehe jetzt mit der neuen U 12 alles um so schneller.

Der kleine Simon will die erste Fahrt

Der kleine Simon mit roter Mütze und gelbem Ballon will Bahn fahren, und zwar als erster. „Unbedingt“, sagt seine Mutter Katja Schröpfer, die mit dem Kleinen in der Menge steht und sich mit anderen Dürrlewangern unterhält. Eben kamen schon Simons Schulkameraden von der Schönbuchschule vorbei und sind schon wieder irgendwo in der Menge verschwunden. „Wir waren oft auf der Baustelle und heute sind wie hier, um die Eröffnung mitzuerleben“, sagt die Mutter. Die Sperrungen und die Umleitungen in den Jahren der Bauzeit habe sie gerne ertragen, „und jetzt haben wir es geschafft“.

1000 Stofftaschen, die den Tag versüßen

Während die einen feiern, kommen andere ins Schwitzen. Roland Berndt etwa, der am VVS-Stand Stofftaschen füllt. „So an die tausend werden es wohl sein“, sagt der Marketingmitarbeiter, „der linke Arm hat schon leichte Ermüdungserscheinungen“. In jede Tasche kommen ein Schienennetzplan in Papier und zwei Tüten mit Gummibärchen. „Um den Leuten den Tag zu versüßen, sie mussten ja auch während der Bauzeit einiges aushalten.“ Sein Kollege Thomas Scherrer reicht die Geschenke den Menschen, die vor seinem Stand Schlange stehen. „So, bitte schön“, sagt er ein ums andere mal. Und als ein Mann fragt, ob es auch Regenschirme gebe, antwortet er: „Nicht bei uns, die gibt’s nebenan.“ – Bei den Kollegen der SSB.