Mit Joshua Kimmich, David Selke und Felix Lohkemper stehen drei Spieler mit einem Bezug zum VfB Stuttgart im Finale der U-19-Europameisterschaft. Haben sie das Zeug, in die Fußspuren der deutschen WM-Stars zu treten?

Stuttgart - Es ist der 28. Juli 2002. Die deutsche U-19-Nationalmannschaft steht im Finale der Europameisterschaft, das sie gegen Spanien 0:1 verliert. Mit dabei sind Philipp Lahm und Piotr Trochowski. Es ist der 6. Juli 2008. Die deutsche U-19-Nationalmannschaft steht im Finale der Europameisterschaft, das sie gegen Italien 3:1 gewinnt. Mit dabei sind Ron-Robert Zieler, Lars Bender und Sven Bender. Am Donnerstag ist der 31. Juli 2014. Wieder steht die deutsche U-19-Nationalmannschaft im Finale der Europameisterschaft, im EM-Finale, in dem Portugal der Gegner ist (19 Uhr/Eurosport). Mit dabei sind Joshua Kimmich, David Selke und Felix Lohkemper, die einen Bezug zum VfB Stuttgart haben. Lahm, Trochowski, Zieler und die Bender-Zwillinge sind später A-Nationalspieler geworden. Was wird aus Kimmich, Selke und Lohkemper?

 

Joshua Kimmich (19). Der Mittelfeldspieler wechselte mit zwölf Jahren in die Jugendabteilung des VfB, in der er anschließend alle Stationen bis zu den A-Junioren durchlaufen hat. Vor einem Jahr wurde er für 500 000 Euro nach Leipzig ausgeliehen, wo er mit Red Bull in die zweite Liga aufgestiegen ist. Kimmich brachte es auf 26 Einsätze. Der VfB besitzt eine Rückkaufoption für 750 000 Euro, die er im Sommer 2015 ziehen muss. Sonst verfällt diese Klausel.

Bei der EM in Ungarn ist Kimmich als Stammspieler gesetzt, was sowohl der VfB als auch RB registriert haben – RB in Person von Thomas Albeck, der bis 2012 als Jugendchef in Stuttgart gearbeitet hat und seitdem in gleicher Funktion für Leipzig tätig ist. Sehr erfreulich sei das, was Kimmich bei der EM abliefere, sagt Albeck, „er ist ein Spieler, der schon von klein auf immer gewinnen wollte und immer Führungsaufgaben übernommen hat.“ Und ein Anführer sei er auch immer gewesen, „was außergewöhnlich ist“.

Einfach unglaubliche Qualitäten

Die Chefrolle besetzt er auch aktuell in Ungarn, wo er das Aufbauspiel der deutschen Auswahl ordnet und die Aktionen vorantreibt. Ein Stratege sei Kimmich, einer mit viel Kreativität, aber auch einer, der dem Gegner körperlich weh tun könne und einer, „der insgesamt einfach unglaubliche Qualitäten mitbringt“, sagt Albeck.

Obwohl die neue Saison in der zweiten Liga schon an diesem Wochenende beginnt, hat RB mit der EM-Freigabe für Kimmich nicht gezögert – anders als der VfB, der Timo Werner nicht für die U 19 abgestellt hat, obwohl die neue Saison in der ersten Liga erst drei Wochen später als in der zweiten Liga anfängt. Natürlich sei der Termin in Ungarn nicht optimal, sagt Albeck, „aber das muss man mittelfristig sehen. Ein Turnier wie eine Europameisterschaft ist für einen jungen Spieler eine sehr wertvolle Erfahrung, von der er in seiner Karriere mit Sicherheit profitieren wird.“

Ein fast ausgestorbener Stürmertyp

Davie Selke (19). Der Angreifer hat den VfB noch früher als Kimmich verlassen – mit 14, als er nach Hoffenheim wechselte. Grund war ein Zerwürfnis mit seinem damaligen U-13-Trainer Klaus Hubrich. Seit einem Jahr spielt Selke für Werder Bremen. In Ungarn hat er nun auf sich aufmerksam gemacht, da er bisher in vier Partien sechs Treffer erzielte. Das gefällt dem VfB-Jugendchef Rainer Adrion, der den Weg von Selke nach dessen Abgang auf dem Wasen weiterverfolgt hat. „Ich habe ein Faible für solche Leute, die robust sind“, sagt Adrion. Er vergleicht Selke vom Ansatz her fast ein bisschen mit Kevin Kuranyi. „Er ist ein Brecher und damit ein Stürmertyp, der bei uns leider nahezu ausgestorben ist“, sagt Rainer Adrion.

Er würde diese Gattung gerne wiederbeleben – dadurch dass in der Ausbildung wieder mehr Wert auf Tugenden gelegt wird, „die Selke auszeichnen – auch wenn man diese Eigenschaften nur sehr bedingt lernen kann.“ Damit meint Adrion den Torinstinkt und die Wucht von Selke/Kuranyi. In der vergangenen Saison hatte Selke bei Werder bereits drei Auftritte in der Bundesliga. Nach einem handgreiflichen Trainingsdisput mit Clemens Fritz wurde er bei den Profis allerdings nicht mehr berücksichtigt – nur eine vorübergehende Erscheinung, vermutet Adrion jedoch. „Ich glaube, dass er den Durchbruch schafft“, sagt er.

Ein dynamischer Vollblutstürmer

Der Stürmer Felix Lohkemper (19) spielt im Gegensatz zu Kimmich und Selke noch beim VfB, wenn auch in der zweiten Mannschaft – und er durfte im Gegensatz zu Werner auch nach Ungarn fahren. Dort ist er aber nur Ergänzungsspieler. An Selke kommt er nicht vorbei.

Immerhin wird Lohkemper öfter eingewechselt, vielleicht auch heute im Finale. Darauf hofft Adrion, der sich vor ein paar Tagen mit dem U-19-Trainer Marcus Sorg unterhalten hat. Deshalb weiß er jetzt etwas. „Felix hat das Pech, dass die Formation schon vor der EM praktisch feststand“, sagt Adrion, der Lohkemper für „dynamisch, geradlinig und für einen Vollblutstürmer“ hält, „der sich noch stabilisieren muss.“

Das musste sich Lahm vor zwölf Jahren aber auch noch. Und den Treffer erzielte im Finale von 2002 übrigens Fernando Torres.