Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg Sexuelle Belästigung und die Frage nach der Wertekultur der Polizei

An der Hochschule der Polizei kamen im Jahr 2023 Aussagen des früheren Offenburger Polizeipräsidenten Reinhard Renter nicht gut an. Foto: Marc Eich

Wie stark ist die viel gerühmte Wertekultur in der Polizeiführung verankert? Die Vernehmung früherer Polizeipräsidenten im Untersuchungsausschuss wirft Fragen auf.

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Und wieder zeigt sich im Untersuchungsausschuss diese Diskrepanz: Einerseits ist da eine klar formulierte Wertekultur bei der baden-württembergischen Polizei, auf der anderen Seite eine fehlende Sensibilität für bestimmte Themen. Er habe einen Wertekompass, betonte der frühere Offenburger Polizeipräsident Reinhard Renter am Montag bei seiner Vernehmung. Und doch traf er nicht den richtigen Ton, als er vor Studenten 2023 über die Vorwürfe gegen den Inspekteur der Polizei spricht.

 

U-Ausschuss seit drei Jahren

Der Untersuchungsausschuss im Landtag befasst sich inzwischen fast schon seit drei Jahren mit den Fällen von sexueller Belästigung und der Beförderungspraxis bei der Polizei. Beides hat mit dem inzwischen vom Dienst freigestellten Inspekteur der Polizei, Andreas Renner, zu tun. 2021 warf ihm eine Polizistin sexuelle Nötigung vor, nachdem die beiden nach einer Feier im Innenministerium in einer Kneipe gelandet waren. In einem Strafverfahren vor dem Landgericht wurde Renner freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aber noch wegen Bestechlichkeit. Denn in einem Telefonat soll Renner der Hauptkommissarin gesagt haben, eine Beziehung würde ihrem beruflichen Fortkommen nicht schaden.

Im Rahmen des 2021 angestrengten Disziplinarverfahrens wurden dem Inspekteur im Sommer 2024 zudem die Bezüge gekürzt. Für eine solche Maßnahme muss sein Dienstherr davon ausgehen, dass die vorgeworfenen Dienstvergehen so schwerwiegend sind, dass er voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird. An seine Position zurückkehren könnte Renner ohnehin nicht. Das Innenministerium hat den Posten des Inspekteurs mittlerweile abgeschafft.

Die Affäre ist deswegen besonders bemerkenswert, weil ausgerechnet Andreas Renner einst für eine Wertekampagne bei der Polizei verantwortlich zeichnete. Von dort kennt ihn der frühere Offenburger Polizeipräsident Renter. Zudem sah sich Renter veranlasst, nach Renners Suspendierung Kontakt zu ihm aufzunehmen. Renter war 2014 selbst wegen des Verdachts der Untreue plötzlich Ziel von Ermittlungen geworden. Die Vorwürfe gegen ihn wurden später aber fallen gelassen.

Der frühere Offenburger Polizeipräsident Reinhard Renter während einer Pressekonferenz 2020. Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

Vorfall an der Hochschule für Polizei

Renter geriet aber aus einem anderen Grund im Zusammenhang in die Schlagzeilen, nämlich nachdem er als Dozent an der Hochschule für Polizei vor Studenten über den Fall gesprochen hatte. Der Vorwurf: Er habe sich verharmlosend geäußert. Renter entschuldigte sich hinterher und erklärte im Untersuchungsausschuss, er sei schlecht vorbereitet gewesen und habe nicht gewusst, was für eine Stimmung an der Hochschule geherrscht habe. Dort gab es eine große Solidarität mit der betroffenen Polizistin. Renter erzählte, er habe sich in der Veranstaltung für die Unschuldsvermutung stark gemacht. Sinngemäß habe er gesagt, „aus dem Narrativ der beiden kann es sein, dass sie einen schönen Abend hatten“. Und: Wenn jede Anmache mit einem Entfernen aus dem Dienst ende, dann werde es ein bisschen eng. „Das war aus heutiger Sicht ein schlechter Text, ein nicht vorbereiteter“, sagte er.

Überrascht über Zahlen

Dabei fällt auf, dass der ehemalige Ulmer Polizeipräsident Bernhard Weber im Untersuchungsausschuss ganz anders und offen über Vorfälle sexueller Belästigung spricht, die er vor und nach der IdP-Affäre mit aller Härte in seinem Präsidium verfolgt habe.

Renter indessen zeigte sich überrascht über die Ergebnisse einer Bachelor-Arbeit an der Hochschule für Polizei aus dem Jahr 2020 zum Thema sexuelle Belästigung, die im Ausschuss thematisiert wurde. Darin antworteten 21 Prozent der Befragten, sie seien schon einmal belästigt worden, 62 Prozent davon hatten den Vorfall nicht gemeldet. „Da war ich erschrocken. So kenne ich die Polizei nicht“, sagte Renter. Für den Obmann der SPD, Sascha Binder, ist der Fall klar: Man sehe mal wieder „dass nicht sein kann, was nicht sein darf“, so sein Zwischenfazit.

Endspurt im Untersuchungsausschuss

Termine
 Bis zur parlamentarischen Sommerpause sind bisher noch fünf Sitzungstermine angesetzt. Dann soll die Zeugenbefragung abgeschlossen sein und der Untersuchungsausschuss erarbeitet seinen Abschlussbericht.

Zeugen
 Nach wie vor unklar ist, ob der frühere Inspekteur der Polizei, Andreas Renner, als Zeuge geladen wird und ob er in diesem Fall überhaupt aussagen wird – oder wie im Strafprozess von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Darüber hinaus wollen die Abgeordneten möglicherweise auch bereits gehörte Zeugen wie Innenminister Thomas Strobl (CDU) und die Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz erneut vorladen.

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