Vor dem Untersuchungsausschuss zum harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner sind am Freitag weitere Polizeiführer gehört worden. Ein Zeuge gab an, er könne sich nicht mehr an Details einer Lagebesprechung erinnern.

Vor dem Untersuchungsausschuss zum harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner sind am Freitag weitere Polizeiführer gehört worden. Ein Zeuge gab an, er könne sich nicht mehr an Details einer Lagebesprechung erinnern.

 

Stuttgart - „Daran kann ich mich im Detail nicht mehr erinnern“, „Das kann ich Ihnen heute nicht mehr sagen“ oder „Meine Aufzeichnungen dazu habe ich entsorgt“: Die Vernehmung mehrerer Polizeiführer hat den Untersuchungsausschuss des Landtags bei der Aufklärung des harten Polizeieinsatzes gegen Stuttgart-21-Gegner im Herbst 2010 nicht wirklich weitergebracht.

Fast vier Jahre nach den Vorfällen scheint der Ausschuss auf der Stelle zu treten. Nach wie vor steht die Frage im Raum: Hat der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) die Polizei zur Härte gegen die Demonstranten getrieben?

Am 30. September 2010 waren 130 Demonstranten und 34 Beamte bei Auseinandersetzungen während der Räumung des Schlossgartens verletzt worden. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Schlagstöcke ein. SPD und Grüne vermuten nach wie vor, dass Stuttgarts Polizeichef Siegfried Stumpf seine Einsätze auf Druck von Mappus durchzog.

Stumpf berichtete von Telefonaten mit Mappus

Er könne sich an Details einer Lagebesprechung wenige Wochen vor dem „Schwarzen Donnerstag“ nicht mehr erinnern, sagte einer der Zeugen am Freitag. Stumpf habe aber damals von intensiven Telefonkontakten mit Regierungschef Mappus berichtet. „Das war schon was, wo wir aufgemerkt haben.“

Im Mittelpunkt der inzwischen sechsten Sitzung des Ausschusses stand eine Tagung führender Polizeibeamter wenige Wochen vor dem „Schwarzen Donnerstag“. Polizeichef Stumpf habe bei der Tagung über das erwartete weitere Vorgehen der Polizei rund um Stuttgart 21 berichtet. Stumpf hatte Bedenken gegen den geplanten Termin für einen Baggereinsatz beim anstehenden Teilabriss des Bahnhofs. Nach einem Telefonat mit Mappus soll er den Ministerpräsidenten mit den Worten zitiert haben: „Bringen Sie den Bagger rein. Wenn Sie nicht wollen, hole ich eine Polizei aus einem anderen Land.“

An diese Äußerungen konnten sich verschiedene Zeugen allerdings nicht direkt erinnern. Die Tagung sei aber nun auch schon vier Jahre her, sagte einer. Ein anderer gab an, er habe „keinen Zweifel daran“, dass eine solche Äußerung gefallen sein könne. Gehört habe er sie aber nicht. Andere gaben an, ihnen sei es bei der Tagung um andere Fragen gegangen als die Taktik, in die sie gar nicht eingebunden gewesen seien.

So stand für einen Polizeiführer aus Freiburg die Frage im Mittelpunkt, inwieweit die Polizei Freiburg für die erwarteten Einsätze Mitarbeiter bereithalten müsse. Ein anderer Zeuge hatte inzwischen festgestellt, dass er an dem Treffen gar nicht teilgenommen habe.

Nicht eng genug dran

Unter dem Strich waren die Zeugen vom Freitag nicht eng genug in die Einsatzplanung eingebunden, um dem Ausschuss entscheidende Aussagen liefern zu können. Einflussnahme aus der Politik konnten sie auch nicht bestätigen. Mit Spannung erwartet wird nun die Aussage von Polizeichef Stumpf, die in einer der nächsten Sitzungen ansteht.

Der eskalierte Polizeieinsatz am „Schwarzen Donnerstag“ beschäftigt bereits zum zweiten Mal einen Untersuchungsausschuss im Landtag. Nach dem ersten Ausschuss zogen Regierung und Opposition im Januar 2011 zwei gegensätzliche Bilanzen: SPD und Grüne machten Mappus für das massive Vorgehen verantwortlich. Die damalige CDU/FDP-Koalition hielt dagegen: Die Regierung habe keinen politischen Einfluss genommen.

Nachdem bislang unbekannte E-Mails aufgetaucht waren, warfen Grüne und SPD Mappus vor, wichtige Unterlagen vorenthalten zu haben und beantragten den zweiten Untersuchungsausschuss.

Obleute bewerten Anhörung unterschiedlich

Die Obleute bewerteten die Vernehmung am Ende unterschiedlich: Für Reinhard Löffler (CDU) brachte der Tag „wenig Erkenntnisse“, aber immerhin habe sich kein Zeuge an politische Einflussnahme erinnern können. Grünen-Obmann Uli Sckerl hingegen sieht sich darin bestätigt, dass es Differenzen zwischen der Politik und der Polizei über die Taktik gab. Es sei an der Zeit, dass Polizeichef Stumpf in den Zeugenstand komme, um mit den Erkenntnissen des Ausschusses konfrontiert zu werden. Stumpf hatte eine Einflussnahme aus der Politik stets bestritten.

SPD-Obmann Sascha Binder wunderte sich über mehrere Telefonate zwischen Mappus und Stumpf, von denen Zeugen berichteten. „Ich hätte nicht gedacht, dass es da regelmäßige Gespräche gab.“ Stumpf soll nun noch vor der Sommerpause, vermutlich am 18. Juli, gehört werden.