Gut zwei Jahre hat der Ausschuss zum „schwarzen Donnerstag“ getagt. Nun endet seine Arbeit im Dissens: Grün-Rot sieht es als erhärtet an, dass die Regierung Mappus auf die Polizei Einfluss nahm. Die CDU weist alle Vorwürfe zurück, die FDP viele.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Mehr als fünf Jahre nach dem „schwarzen Donnerstag“ steht die politische Aufarbeitung des Polizeieinsatzes im Stuttgarter Schlossgarten vor dem Abschluss. Mit teilweise gegensätzlichen Voten von Regierung und Opposition hat der vor gut zwei Jahren eingesetzte zweite Untersuchungsausschuss des Landtages jetzt seine Arbeit beendet. Die Mehrheit von SPD und Grüne sieht viele Vorwürfe gegen die frühere CDU-Regierung von Ministerpräsident Stefan Mappus als bestätigt an. Die CDU widerspricht dem in einem Minderheitsvotum grundsätzlich, die FDP in einem eigenen Fazit teilweise. Mitte Februar wird der Landtag abschließend über den 500 Seiten starken Bericht und die Bewertung debattieren.

 

Auslöser des Ausschusses waren bisher unbekannte Mails, welche die „Stuttgarter Zeitung“ und das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ öffentlich gemacht hatten. So hatte die frühere Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) an Mappus geschrieben, bis zu seiner Regierungserklärung wenige Tage später im Landtag sollten die Bäume im Schlossgarten gefällt sein. Dies nährte den Verdacht, dass es entgegen dem Ergebnis von CDU und FDP im ersten Ausschuss doch eine politische Einflussnahme auf die Polizei gab. Zudem ging der Ausschuss der Frage nach, warum diese und andere Mails dem ersten Gremium nicht vorgelegt worden waren.

„Erwartungshaltung von Mappus genährt“

Auch Grüne und SPD sehen keinen Beweis, dass die Regierung Mappus direkten Einfluss auf den Einsatz Ende September genommen habe. Erwiesen sei hingegen, dass es einige Wochen zuvor eine Einflussnahme bei einem Bagger-Transport zum Nordflügel des Bahnhofs gegeben habe. Damit sei eine „Erwartungshaltung“ entstanden, „die in den Folgewochen bei mehreren Anlässen vom damaligen MP Mappus immer wieder genährt wurde“, heißt es in der Beschlussempfehlung, die von den Obleuten Ulrich Sckerl (Grüne) und Sascha Binder (SPD) präsentiert wurde.

Es sei politischer Wille der CDU-Regierung gewesen, dass die Bäume im Schlossgarten bis zu Mappus’ Regierungserklärung am 7. Oktober gefällt seien. Trotz „großer polizeilicher Bedenken“ sei daher am Einsatztermin 30. September festgehalten worden; dies habe man am Vorabend im Staatsministerium bei einer Sitzung unter Mappus’ Leitung beschlossen. In der Folge sei der Einsatz, der inzwischen vom Verwaltungsgericht als rechtswidrig eingestuft wurde, „ohne Rücksicht auf die Demonstration Stuttgarter Schüler und den Bürgerprotest“ angeordnet und durchgeführt worden. Zugleich halten Grüne und SPD fest, die Regierung Mappus habe „unter Missachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit des Landtags“ auf die Arbeit des ersten Ausschusses mehrfach Einfluss genommen. Auf Weisung des Staatsministeriums hätten die Akten „widerspruchsfrei aufgearbeitet“ werden sollen. Dienstliche Mails wie die von Gönner seien dem damaligen Gremium nicht vorgelegt worden, Videomaterial habe man „nur selektiv präsentiert“. Zeugenaussagen von früheren CDU-Regierungsmitgliedern und Spitzenbeamten seien zudem vorbereitet und aufeinander abgestimmt worden.

Akten aufbereitet, Zeugen vorbereitet

Ganz anders liest sich das Fazit der CDU. Dem ersten Ausschuss seien keine Akten oder Unterlagen vorenthalten worden. Es hätten sich auch keine Mails gefunden, die eine Einflussnahme auf den Polizeieinsatz im Schlossgarten bestätigten. Daher gebe es keinen Grund, von der Bewertung des ersten Ausschusses abzuweichen. Auch bei dem Baggertransport zum Nordbahnhof habe es keine politische Einflussnahme gegeben. Hier glaube man mehr dem damaligen Landespolizeipräsidenten Wolf Hamann als dem früheren Stuttgarter Polizeichef Siegfried Stumpf, erläuterte der CDU-Obmann Reinhard Löffler. Stumpf hatte berichtet, Hamann habe ihm eine Order des Staatsministeriums übermittelt; der Satz „bringen Sie den Bagger rein“ wurde Mappus zugeschrieben. Hamann hatte eine Vorgabe aus der Regierungszentrale hingegen bestritten.

CDU sieht sich in Rechten verletzt

Scharfe Kritik übt die CDU hingegen an der grün-roten Koalition: Regierungsvertreter hätten sich in laufende Verfahren um Demonstranten eingemischt, im Umweltministerium seien Daten – darunter die Gönner-Mails – rechtswidrig gespeichert worden. Der Ausschuss sei nicht notwendig gewesen und als Kampfinstrument gegen die Opposition auch nicht verfassungsgemäß, sagte Löffler; Minderheitenrechte seien wiederholt verletzt worden. Dem widersprach der Vorsitzende Jürgen Filius (Grüne) scharf: Die Rechte aller Beteiligten seien berücksichtigt worden.

Nicht ganz so kritisch bilanziert die FDP die Ausschussarbeit. Ihr Obmann Timm Kern verteidigte das Gremium zwar als notwendig; allerdings habe es „keine Beweise oder zwingende Indizien“ für eine Einflussnahme von Mappus auf den Einsatz am „schwarzen Donnerstag“ gefunden. Die Polizei sei alleine für die Einsatztaktik verantwortlich gewesen, die Regierungserklärung habe bei dem Termin keine Rolle gespielt. Anders als die CDU sehen die Liberalen einen solchen Einfluss hingegen beim Baggereinsatz am Nordflügel des Bahnhofs; laut Zeugenaussagen habe dieser aber keine Folgewirkungen gehabt. Als ungeklärt bewertete Kern die Speicherung von Daten im Umweltministerium und die Abfrage von Daten durch das Staatsministerium bei der Justiz.

Grüne: CDU soll sich entschuldigen

Der Grünen-Obmann Sckerl appellierte an die CDU, sich – wie Ministerpräsident Kretschmann – bei den Opfern des Polizeieinsatzes zu entschuldigen; darauf warte man bis heute. Auch sein SPD-Kollege Binder monierte, die CDU sei „nicht bereit, ihre Fehler zuzugeben und aufzuarbeiten.“ Dies liege offenbar „in der DNA“ der Partei. Der CDU-Obmann Löffler ließ die Frage unbeantwortet, ob er Ex-Ministerpräsident Mappus durch den Ausschuss rehabilitiert sehe: Die Person sei für ihn „völlig nebensächlich“. Am 18. Februar soll sich der Landtag abschließend mit dem Bericht und der Bewertung befassen.