Über Vorurteile Bekenntnis eines Teilzeitvegetariers
Was tun, wenn man völlig zu unrecht als notorischer Fleischesser eingestuft wird? Kolumnist KNITZ weiß als Betroffener Rat.
Was tun, wenn man völlig zu unrecht als notorischer Fleischesser eingestuft wird? Kolumnist KNITZ weiß als Betroffener Rat.
Im EU-Parlament wird in diesen Tagen darüber gestritten, ob man eine Wurst, für die kein Tier sein Leben lassen musste, als vegane Wurst oder Veggie-Wurst verkaufen darf. Im Kern, findet KNITZ, geht es bei der Diskussion nicht um die Wurst, sondern darum, ob man den Menschen zutraut, zu begreifen, dass in einer veganen Wurst kein Tier drinsteckt.
KNITZ ist überzeugt davon: Wer nicht kapiert, dass eine vegane Wurst ohne Tier auskommt, der ist Darm dran. Dem dürfte es eh Wurscht sein, was in der Wurst steckt. Die Debatte, losgetreten durch einen Antrag der konservativen EVP-Fraktion, ist so überflüssig wie lächerlich.
Früher hätte KNITZ die Antragsteller als Politwürstchen abgekanzelt. Inzwischen ist er mit Pauschalurteilen vorsichtig. In einer Stimmung, in der Politikerinnen und Politiker in Umfragen fast so schlecht abschneiden wie Journalisten und Strauchdiebe, tendiert KNITZ eher dazu, gewählte Volksvertreter unter Artenschutz zu stellen. Sonst will irgendwann kein Mensch mehr den Job machen. Und das war’s dann mit der Demokratie.
Wo wir gewissermaßen bei armen Würstchen angelangt sind, darf KNITZ, wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, erlauben, sich selbst ins Spiel bringen und darauf hinweisen, dass er äußerlich zwar rustikal wirken mag, dennoch aber Gefühle hat. Und die werden regelmäßig an einem Ort verletzt, an dem man das am wenigsten vermuten würde: in der Betriebskantine, die übrigens seit der Abschaffung des Fressnapfs völlig zu recht bei uns Betriebsrestaurant heißt.
Jedes Mal wenn sich KNITZ bei vegetarischen oder veganen Gerichten anstellt, bekommt er, nicht selten von jungen Leuten, zu hören: „Was, Du, kein Fleisch!“
KNITZ fragt sich: Liegt es am Alter, am Geschlecht, an der gesunden Körperfülle, am schütter werdenden Schopf, am journalistischen Killerinstinkt, dass man ihn für einen notorischen Fleischfresser hält?
Wie kommen die Leute drauf, dass er nicht auch ein gutes fleischloses Gericht zu schätzen weiß, ja ihm oft sogar den Vortritt gibt? Denken die Kolleginnen und Kollegen, dass er sabbernd wie ein Hund an der Fleischtheke im Supermarkt steht? Dass er, in der Hoffnung, ein Reh zu erlegen, nächtens mit Vollgas durch Wälder brettert?
Dann begann KNITZ, sich an die eigene Nase zu fassen. Stimmt, es gab mal eine Zeit, da sah seine Vorstellung von einem Veganer so aus: jung, bleich, schmächtig, kraftlos und zu hundert Prozent humorfrei. Seit KNITZ mal einen veganen Kampfsportler kennengelernt hat, weiß er, dass die Wirklichkeit mitunter anders ausschaut.
Anfangs war KNITZ bemüht, die Vorurteile der Kolleginnen und Kollegen aus der Welt zu schaffen: Er versuche immer öfter auf Tierisches verzichten, aus Gründen des Tierwohls und der Umwelt. Aber manchmal, bei Schnitzel oder Currywurst, werde er schon noch schwach.
Inzwischen lässt KNITZ das bleiben. Womöglich wirkt er als Fleischesser animalisch, unberechenbar, gefährlich. Wer weiß, wann ihm das nützlich werden kann. Und dann fiel ihm ein Spruch ein, der vor Urzeiten beim Imbiss zum Brunnenwirt angebracht war: „Wurstesser sind bessere Liebhaber.“