Baden-Württemberg hat mittlerweile die geringste Personalaustattung aller Bundesländer in den Justizvollzugsanstalten. CDU-Justizminister Wolf fordert 400 neue Stellen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Baden-Württembergs Gefängnisse platzen aus allen Nähten. Grund ist der starke Häftlingszuwachs seit 2015. Im Durchschnitt sitzen etwa 820 Gefangene mehr in den 17 Haftanstalten als vor vier Jahren – das entspricht einem Plus von 12,5 Prozent bei der Gesamtbelegung.

 

Weil die Personalausstattung damit keineswegs Schritt hält, ist der Südwesten in einer internen Vergleichsberechnung der Bundesländer auf dem letzten Platz hinter Bayern und Nordrhein-Westfalen angelangt. „Wir haben es geschafft, Letzter zu werden“, sagte Alexander Schmid, Landesvorsitzender im Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), unserer Zeitung. Der Vergleichsberechnung zufolge hat der baden-württembergische Justizvollzug weniger als 33 Bedienstete je 100 Gefangene – wobei dabei Kräfte wie Psychologen, Köche oder Verwaltungskräfte eingerechnet sind.

Ein Bewacher für 60 Häftlinge

Folglich ist nicht selten ein einzelner Vollzugsbediensteter für eine ganze Abteilung mit bis zu 60 Gefangenen zuständig. Justizminister Guido Wolf (CDU) strebt grundsätzlich eine Doppelbesetzung an. „Seit 2016 haben wir große Anstrengungen unternommen, um auf die angespannte Situation im Justizvollzug zu reagieren“, sagte er unserer Zeitung. In den vergangenen beiden Jahren seien mehr als 200 Neustellen im Justizvollzug geschaffen worden, doch noch immer sei die Personaldecke dünner als in anderen Ländern. „Das kann nicht unser Anspruch sein“, betonte Wolf und drängte Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) im Vorfeld der nächsten Haushaltsberatungen zum Handeln. „Absehbar brauchen wir 400 Neustellen für den Vollzug und einen ersten umfangreichen Zuwachs bereits mit dem nächsten Doppelhaushalt.“ Dies sei die Regierung den Vollzugsbediensteten, die unter schwierigen Bedingungen einen wichtigen Beitrag für die innere Sicherheit im Land leisteten, schuldig.

Die Polizei muss aushelfen

Auch BSBD-Landeschef Schmid fordert mindestens zwei Bedienstete in den Betreuungs- und Wohnabteilungen. „Keine Polizeistreife fährt allein in den Einsatz, aber uns wird das dauerhaft zugemutet“, betont er. Dieser Missstand müsse „schnellstmöglich“ beendet werden. Zugleich sollten Werkbetriebe und Sonderdienste wie Psychologen und Sozialarbeiter verstärkt werden. Zur Erhöhung der Sicherheit müssten die Belegschaften zudem in Randphasen, etwa Nachtdiensten, ausgebaut werden. „Es darf nicht sein, dass der Vollzug erst die Polizei anfordern muss, um seine Handlungsfähigkeit wiederherzustellen.“ Denn abgesehen vom Zuwachs der Inhaftierten handelt es sich um eine problematischere Klientel: Heute sitzen mehr Ausländer, Drogenabhängige oder psychisch auffällige Menschen ein als noch vor wenigen Jahren.

Mit 500 Stellen auf den Bundesdurchschnitt

Der BSBD verlangt 500 zusätzliche Stellen, „was uns wenigstens auf den Bundesdurchschnitt bei der Personalausstattung bringen würde“, wie Schmid sagt. Dies ließe sich haushaltsverträglich „in 150er-Schritten angehen“. Grün-Schwarz hat in dieser Legislaturperiode konkret 218 Stellen im Justizvollzug neu geschaffen – zuletzt 30 Anwärterstellen mit dem Nachtragshaushalt.

Die Personalnot wirkt sich auf die Belastung der 4100 Bediensteten aus. So hat der Justizvollzugsdienst bei der Mehrarbeit zum 31. Oktober 2018 einen Negativrekord von 289 618 Überstunden aufgestellt. Auch zeigen sich wachsende Gesundheitsschäden: Die Zahl der Krankheitstage stieg von durchschnittlich 19 pro Uniformierten im Jahr 2014 auf knapp 25 Tage im Jahr 2017. Dies führt zu mehr Abwanderung – etwa zu Gerichten oder zum Zoll.