Justizminister Wolf fordert eine bessere medizinische Versorgung und 1000 neue Haftplätze.

Stuttgart - n Baden-Württembergs Gefängnissen spielt sich Justizminister Guido Wolf zufolge gerade ein dramatischer Wandel ab: Wegen der Zunahme ausländischer Gefangener seien die Anstalten chronisch überbelegt, außerdem steige die Zahl psychischer sowie schwer infektiöser Erkrankungen wie Tuberkulose, heißt es in einer Vorlage an den baden-württembergischen Ministerrat. Darüber hinaus nehme die Anzahl alter Gefangener „stetig zu, was einen höheren Bedarf an Pflege nach sich zieht“, schreibt Wolf in dem Bericht, der unserer Redaktion vorliegt.

 

Der CDU-Politiker hält deshalb mittelfristig tausend weitere Haftplätze sowie eine bessere Personalausstattung der Haftanstalten für erforderlich. Da aber noch Jahre ins Land gehen werden, bis das Rottweiler Gefängnis (500 Plätze) und das Vollzugskrankenhaus in Stuttgart (200 Plätze) gebaut sein werden, und auch die Sanierung der Stuttgarter Haftanstalt voraussichtlich bis Ende 2021 dauert, pocht Wolf auf kurzfristige Erweiterungsmöglichkeiten an bestehenden Standorten. Deshalb sollen in Heimsheim, Ravensburg, Schwäbisch Hall und Offenburg weitere Plätze entstehen.

Telemedizin aus Ausweg?

Eine besondere Herausforderung stellt offenbar die medizinische Versorgung der aktuell rund 7400 Gefangenen im Land dar. Schon seit geraumer Zeit beklagen Fachleute die wachsende Zahl psychisch auffälliger Männer in Haft. Aber auch körperliche Erkrankungen nähmen zu, heißt es.

Andererseits sei es sehr schwer, die Stellen im Medizinischen Dienst zu besetzen, berichtet Wolf und folgert: „Telemedizinische Methoden oder die Nutzung elektronischer Gesundheitsakten werden künftig vermehrt eine Rolle spielen.“ Auch an eine engere Kooperation mit niedergelassenen Ärzten ist gedacht. Angesichts dieser Herausforderungen schlägt der Justizminister vor, dass eine ressort- und fachübergreifende Expertenkommission die medizinische Versorgung der Gefangenen generell beleuchtet.

Immer weniger Häftlinge arbeiten

Fast die Hälfte der Gefängnisinsassen hat Wolf zufolge keinen deutschen Pass. Im Jahr 2015 waren es nur knapp 40 Prozent gewesen. Eine Prognose wagt der Justizminister nicht, geht aber „zumindest von einer gleich bleibenden Überlastung“ aus. Die Lage wäre wohl noch dramatischer, würden nicht rund 870 Gefangene einwilligen, dass sie in Gemeinschaftsräumen untergebracht sind, die eigentlich nicht den Vorschriften entsprechen – da eine abgetrennte und gesondert gelüftete Toilette fehlt.

Die Überbelegung der Anstalten hat laut Bericht auch Einfluss auf das Beschäftigungsangebot für Häftlinge: Die Zahl beschäftigter Gefangener ging von 73 Prozent im Jahr 2015 auf 66 Prozent im Jahr 2017 zurück. Wolf zufolge verfügt der Justizvollzug mit 32,91 Bediensteten je 100 Gefangenen im Ländervergleich über die knappste Personalausstattung im mittleren Vollzugsdienst. Beziehe man die Neustellen im Staatshaushalt 2018/2019 ein, verbessere sich das Verhältnis nur unwesentlich auf 34,75 Bedienstete je 100 Gefangene. Wolf hält das für zu wenig: „Die knappe Personalausstattung führt unter anderem dazu, dass die Stockwerksbereiche in den Justizvollzugsanstalten nicht durchgängig mit zwei Bediensteten besetzt sind.