Die meisten Viertklässler sind auch in diesem Schuljahr von der Grundschule auf das Gymnasium gewechselt. Doch der Trend stagniert. Nicht jedes Kind, das könnte, geht auch auf das Gymnasium.

Stuttgart - Das Gymnasium steht bei den Viertklässlern in Baden-Württemberg und ihren Eltern nach wie vor hoch im Kurs. Allerdings stagnieren die Übergangszahlen weitgehend auf dem Vorjahresniveau. Zum aktuellen Schuljahr wechselten dem Statistischen Landesamt zufolge 43,4 Prozent der 91 715 Viertklässler von der Grundschule auf ein Gymnasium. Ein Jahr zuvor waren es 43,9 Prozent.

 

Mit einer Übergangsquote von 33,8 Prozent gab es auch bei den Realschulen leichte Rückgänge gegenüber dem Schuljahr 2014/15 (34,7 Prozent). Weiter auf Talfahrt sind die Haupt- und Werkrealschulen. Auf diese Schulart wechselten im Herbst 2015 noch 7,2 Prozent der Viertklässler, ein Jahr zuvor waren es 9,3 Prozent.

Lehrer sehen jeden vierten auf der Hauptschule

Die Lehrer stufen ihre Schüler jedoch anders ein. Sie empfahlen 24,1 Prozent ihrer Schüler den Besuch einer „Werkreal-/Hauptschule oder Gemeinschaftsschule“. Dieser Empfehlung folgte ein Drittel der Eltern nicht. Sie entschieden sich statt dessen für ein Gymnasium oder eine Realschule. Von den Kindern, die eine Gymnasialempfehlung hatten ( (46,6 Prozent), wählte jedes fünfte eine andere Schulart.

Insgesamt gab es 0,1 Prozent weniger Viertklässler als ein Jahr zuvor. Die einzige Schulart, die Schüler dazu gewonnen hat, ist die Gemeinschaftsschule. Ihr Anteil wuchs von 10,3 auf 13,3 Prozent. In diesem Schuljahr kamen 62 neue Standorte hinzu. Nun gibt es 271 Gemeinschaftsschulen im Land. Am beliebtesten ist die neue Schulart der Statistik zufolge im Landkreis Tübingen. Zum Schuljahr 2015/16 wechselten dort 24,6 Prozent der Viertklässler auf einen Gemeinschaftsschule. Ähnlich gut kommen Gemeinschaftsschulen im Hohenlohekreis (22,5 Prozent) und im Rems-Murr-Kreis (21 Prozent) an.

Stuttgart bei Gymnasien auf Platz zwei

Eher wenig gefragt ist die Gemeinschaftsschule in Stuttgart (acht Prozent). Die Stadt ist mit 57,7 Prozent Übergängen vielmehr eine der Hochburgen der Gymnasien. Sie wird nur übertroffen von Heidelberg (69,5 Prozent) und dicht gefolgt von Tübingen (57,4). Nach wie vor wenig attraktiv ist das Gymnasium im Kreis Waldshut (28,2 Prozent). Dort liegt mit einem Anteil von 44,1 Prozent die Realschule deutlich vorn. Die Hauptschule hält sich mit einer Übergangsquote von 20 Prozent in Pforzheim am besten.

Besonders breit gefächert ist die Schülerschaft auch in diesem Jahr an den Realschulen. Gut die Hälfte der neuen Fünftklässler (55,4 Prozent) hat auch eine Empfehlung für diese Schulart. Jeder Fünfte (20,6 Prozent) hätte auch auf das Gymnasium gehen können, fast jeden vierten neuen Realschüler (24 Prozent) hätten seine Grundschullehrer lieber auf der Hauptschule gesehen.

Von den 20 612 Kindern mit Migrationshintergrund entschieden sich 36,2 Prozent für eine Realschule, 34,2 für ein Gymnasium, 13,8 Prozent für eine Gemeinschaftsschule und 10,8 Prozent für eine Hauptschule. Von den ausländischen Schülern schafften in Stuttgart 44,1 Prozent den Sprung auf das Gymnasium, in Heidelberg 53,5 und in Karlsruhe 45,5 Prozent.

Stoch: Positive Entwicklung der Gemeinschaftsschule

Für Kultusminister Andreas Stoch (SPD) widerlegt die Statistik erneut, „dass die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung zu einem unkontrollierbaren Run auf die Gymnasien führen würde“. Stoch hebt auch hervor, dass 27,6 Prozent der Gemeinschaftsschüler eine Realschulempfehlung hatten und 10,1 Prozent ein Gymnasium hätten besuchen können.

Das wertet der Minister als ein positives Signal. Die Entwicklung zeige, „die Gemeinschaftsschule stellt auch für leistungsstärkere Schüler eine Option dar“. Die hohe Heterogenität an Realschulen zeigt laut Stoch, dass die konzeptionelle Weiterentwicklung und die zusätzliche Ausstattung „dringend notwendig“ und richtig gewesen sei.

Dem pflichtet Doro Moritz, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bei. Der Ausbau der Poolstunden, die Einführung einer Orientierungsstufe und die Möglichkeit, an der Realschule einen Hauptschulabschluss zu machen, sind für Moritz, „die wichtigen und logischen Konsequenzen“. Angesichts des drastischen Rückgangs der Schülerzahlen an Hauptschulen mahnt die Gewerkschafterin, für die Hauptschullehrer „schnell klare Perspektiven an“.