Die Landesregierung will Schülern, denen es an Ausbildungsreife fehlt, den Start in die Lehre erleichtern. Das Modellprojekt duale Ausbildungsvorbereitung verspricht schon nach einem Jahr Laufzeit Erfolge. Es soll auf neun bis zehn Landkreise ausgeweitet werden.

Stuttgart - Der Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) stellt zum Schuljahresende sich und seinem Modellprojekt schon mal selbst ein gutes Zeugnis aus. Der neugestaltete Übergang von der Schule in den Beruf helfe Jugendlichen und Betrieben eine passende Ausbildungsstelle beziehungsweise den richtigen Lehrling zu finden, sagte Schmid.

 

Vor einem Jahr hat das Wirtschaftsministerium zusammen mit dem Kultusministerium ein Modell zur „dualen Ausbildungsvorbereitung“ aufgelegt. Es ist an den beruflichen Schulen angesiedelt und verbindet Schulunterricht mit Berufspraktika. Jugendliche, die die Hauptschule abgebrochen haben, können gleichzeitig den Abschluss nachholen. Die Schüler, denen es häufig an Ausbildungsreife mangelt, werden ein Jahr lang intensiv begleitet. Schulsozialarbeiter nehmen auch das heimische Umfeld in den Blick, falls die Jugendlichen ständig zu spät kommen oder Probleme haben im Praktikum durchzuhalten, beschreibt Kultusstaatssekretärin Marion von Wartenberg (SPD) ein Kernelement des Modells. Das Projekt steht und fällt mit den Praktika. Im Durchschnitt absolvieren die Schüler 45 Praktikumstage. Dabei lernen sie unterschiedliche Berufsfelder kennen. So sollen Fehlentscheidungen vermieden werden, die dazu führen könnten, dass die Jugendlichen ihre Ausbildung abbrechen.

Das Modell läuft seit einem Jahr an neun beruflichen Schulen in vier Modellregionen des Landes. 433 Schüler waren dabei. 38 Prozent haben jetzt einen Ausbildungsvertrag in der Tasche, vermeldeten Schmid und von Wartenberg. Das seien deutlich mehr als die Übergangsquoten der bisherigen Vorbereitungsprogramme Berufseinstiegs- oder Berufsvorbereitungsjahr. Dort schaffe nur jeder vierte bis fünfte Teilnehmer den Sprung in die Lehre.

Ziel: mehr Jugendliche in Ausbildung bringen

40 Prozent der Schüler in der dualen Ausbildungsvorbereitung hatten keinen Hauptschulabschluss. 60 Prozent von ihnen haben die Prüfung nun geschafft. Schmid ist zufrieden: „Es ist gelungen, mehr Jugendlichen den Einstieg in die Berufsausbildung zu ermöglichen. Das war und ist unser Ziel“. Zu viele Jugendliche wüssten auch einfach nicht, welchen Beruf sie ergreifen sollten. Um dem abzuhelfen, soll die Berufsorientierung an allen allgemein bildenden Schulen ausgeweitet werden. Das neue Schulfach Wirtschaft, das im Jahr 2016 eingeführt wird, soll dazu einen Beitrag leisten. Auch das Modell soll ausgeweitet werden. Im kommenden Schuljahr rechnen Schmid und von Wartenberg mit fünf bis sechs zusätzlichen Modellregionen und 50 statt bisher 24 Lerngruppen.

Keine Nachfrage nach Berufsqualifizierung an der Schule

Ein weiterer Baustein der Reform des Übergangs von der Schule in den Beruf ist eine Berufsqualifizierung an der Schule (BQ dual). Schulabsolventen, die keine Lehrstelle gefunden haben, sollen dabei das erste Ausbildungsjahr in Vollzeit an einer beruflichen Schule absolvieren können. Die Zeit soll auf die Ausbildungszeit angerechnet werden. Das hatte der DGB als einer Ausbildungsgarantie sehr nahe kommend, begeistert gelobt. Die Eckpunkte waren im November 2013 verkündet worden. Doch die Nachfrage nach der dualen Berufsqualifizierung ist laut Nils Schmid so gering, dass es bisher keine Klasse gibt. Es fehlt auch nicht an Lehrstellen. Im vergangenen Jahr blieben vielmehr 6000 Ausbildungsplätze im Land unbesetzt. Im kommenden Schuljahr wolle allerdings Mannheim in die Erprobungsphase von BQ dual einsteigen, berichtete Schmid.

Das Handwerk zweifelt ohnehin an der richtigen Gewichtung. Man stehe zu dem Eckpunktepapier, habe es auch miterarbeitet, sagt der Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold. Ihm wird aber zuviel über die neuen vollzeitschulischen Ausbildungsgänge diskutiert. Man könne meinen, „es gehe ausschließlich um neue Bildungsangebote für die beruflichen Schulen und die Erfüllung grün-roter Wahlversprechen“, klagt Reichhold. Die Kernfrage bleibe aber, wie man Jugendliche besser und zielgerichteter direkt in eine duale Ausbildung bringen könne. In der Frage, wie Unternehmen landesweit bei der Ausbildung unterstützt werden könnten, gebe es noch eine ganze Reihe von Baustellen.

Martin Frädrich von der IHK Region Stuttgart nannte die Erfahrungen aus dem Modellversuch „vielversprechend und ermutigend“. Ausschlaggebend sei, dass das Übergangsmanagement unter kommunaler Regie funktioniere. Die IHK werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass genügend Praktikantenplätze angeboten würden.

Warteschleife trotz freier Ausbildungsplätze

Das Modell duale Ausbildung gibt es seit 2014 im Rems-Murr-Kreis, im Ostalbkreis, in Mannheim und in Weinheim. Im Herbst kommen Freiburg, Karlsruhe, Pforzheim, der Enzkreis und der Zollernalbkreis hinzu. Der Gemeinderat der Stadt Heilbronn debattierte am Mittwoch bis nach Redaktionsschluss über eine Teilnahme. Das Land fördert Koordinierungsstellen in den Stadt- und Landkreisen mit insgesamt 600 000 Euro im Jahr und „AV dual- Begleiter“ für die Schüler mit 550 000 Euro.

Obwohl 2014 rund 6000 Ausbildungsplätze im Südwesten nicht besetzt werden konnten, waren rund 30 000 Jugendliche in Übergangssystemen an beruflichen Schulen, weil der direkte Einstieg in die Berufsausbildung nicht geklappt hat.