Die Polizei hat noch in der Silvesternacht einen Mann festgenommen, der eine Frau sexuell genötigt haben soll. Es gibt Hinweise, dass auch er mit einer Gruppe unterwegs war. Die Polizei wehrt sich gegen den Vorwurf, die Festnahme absichtlich nicht gemeldet zu haben.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Vorfälle in der Silvesternacht haben eine neue Diskussion über die Sicherheitslage in der Stadt entfacht. In Stuttgart waren ähnlich wie in Köln junge Frauen von Männergruppen bedrängt und bestohlen worden. Ein gutes Dutzend Anzeigen liegt der Polizei inzwischen vor, ein Tatverdächtiger sitzt in Untersuchungshaft. In Stuttgart geht die Polizei inzwischen von zwei Tätergruppierungen aus. Zum einen eine 15-köpfige Gruppe, die am Schlossplatz zwei 18-Jährige ausraubte und begrapschte, und die Gruppe, aus der heraus ein 20-jähriger zwei 15 und 18 Jahre alte Frauen sexuell genötigt hatte. Er wurde am Tatort festgenommen, da Polizisten in der Nähe waren.

 

Eltern warnen Jugendliche vor der Klett-Passage

Die Taten haben nicht nur aufgrund der zahlreichen Übergriffe in Köln für Aufregung gesorgt. Eltern berichten von einem regelrechten Spießrutenlauf ihrer jugendlichen und heranwachsenden Kinder in der Silvesternacht, die auf der Königstraße unterwegs waren und in einen Club wollten. „Die Freundin unseres Sohnes konnte sich als einzige gegen die sexuellen Übergriffe erwehren, da sie deutlich sichtbar für die Angreifer ihr Pfefferspray in der Hand hielt“, schreibt eine Stuttgarterin. Sie rät aufgrund der herumlungernden Gruppen junger Männer: „Meidet die Klett-Passage und den Hauptbahnhof!“

„Es hat sich schon etwas verändert“, sagt der Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU). Er werde sich mit der Polizei zusammensetzen, sobald die Auswertung der Silvesternacht vorliege. Dann werde man beschließen, „welche Maßnahmen wir ergreifen, um die Sicherheitslage und das Sicherheitsgefühl der Bürger zu verbessern.“ Da im Zusammenhang mit den Taschendiebstählen, Raubüberfällen und sexuellen Übergriffen auf Frauen immer wieder junge Männer aus Nordafrika oder dem arabischen Raum als Täter beschrieben werden, betont Schairer, dass Stuttgart eine weltoffene und tolerante Stadt sei, und fügt hinzu: „Es ist aber wichtig, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen wissen, wie das Zusammenleben bei uns funktioniert. Das ist Teil unserer Integrationsarbeit.“ Nicht nur im Rathaus, auch bei der Polizei und bei den Händlern in der Klett-Passage hat man ein Augenmerk auf die Entwicklung. „Es ist schlechter geworden“, sagt der Inhaber eines Geschäftes in der Passage. Er merke das an Schilderungen seiner Mitarbeiter und wenn er selbst in den Läden ist – leider aber auch am Umsatz. „Gründe nennen uns die Kunden nicht, die wegbleiben, da es ja viele Pendler sind. Aber wir sehen schon einen Zusammenhang, weil immer mehr Bettler, Punks und Drogenhändler in der Passage unterwegs sind.“

Polizei wehrt sich gegen Vertuschungsvorwurf

Die Polizei bestätigt das. „Wir machen immer wieder Schwerpunkteinsätze in der Klett-Passage, erst am Dienstag war wieder einer“, sagt der Polizeisprecher Olef Petersen. Übergriffe und Gewalttaten würden in der Unterführung selten geschehen. Überwiegend habe es die Polizei dort mit Drogenhandel und Taschendiebstahl zu tun. Die Polizei steht nach der Silvesternacht auch in der Kritik. Zum einen wird ihr mangelnde Präsenz vorgehalten. Zum anderen muss sie sich gegen den Vorwurf verteidigen, einen Fall von sexueller Nötigung nicht berichtet zu haben, den der verhaftete 20-Jährige begangen haben soll, weil er Asylbewerber ist. „Wir haben hier gar nichts vertuscht“, sagt Petersen. Man habe keine Meldung veröffentlicht, weil die Pressestelle nicht jede sexuelle Nötigung sofort melde.

„Bei der Fallanalyse stellte sich dann heraus, dass es sich um ein ähnliches Vorgehen wie bei den beiden 18-jährigen Opfern handeln könnte, da der Tatverdächtige auch Handys dabei hatte“, fügt er hinzu. Man habe die Auswertung der Telefone abwarten wollen, um sicher zu wissen, ob sie Raub- oder Taschendiebstahlsopfern gehörten. Die Polizei hat sich davon ein umfassendes Bild des Zwischenfalls versprochen. Auch auf den Vorwurf der mangelnden Präsenz hat der Polizeisprecher Petersen eine Antwort: „Wir können nicht überall gleichzeitig sein, aber an den neuralgischen Punkten waren wir mit einem großen Kräfteaufgebot.“ So sei die Polizei zur Stelle gewesen und habe den 20-Jährigen verhaften können.