Viele Frauen fühlen sich unsicher, wenn sie nachts allein unterwegs sind. Was das Landeskriminalamt empfiehlt und wie sich eine Stuttgarter Studentin schützt.
Im Sommer laden die kühleren Temperaturen am späten Abend zu einem Spaziergang ein. Doch nicht alle Stuttgarterinnen und Stuttgarter fühlen sich zu später Stunde auf den Straßen der baden-württembergischen Landeshauptstadt sicher. Das gilt vor allem für Frauen. Das weiß auch Theresa Fuchs, die sagt: „Ich kenne viele Frauen, die sich schnell unsicher fühlen, wenn sie allein unterwegs sind.“ Die 22-Jährige studiert Sozialwissenschaften an der Universität Stuttgart und pendelt hierfür mehrmals pro Woche in die Landeshauptstadt.
Warum besonders Frauen Angst haben, im Dunkeln allein vor die Tür zu gehen, wird mit Blick auf folgende Statistik des Landeskriminalamts Baden-Württemberg deutlich. So waren im Jahr 2021 knapp 94 Prozent aller Opfer von sexueller Nötigung, Vergewaltigung, sexueller Belästigung oder Straftaten aus Gruppen im öffentlichen Raum weiblich.
Die Polizei rät von Selbstverteidigungswaffen ab
Um sich zu schützen, greifen manche Frauen zu Selbstverteidigungswaffen. Besonders beliebt ist das Pfefferspray. Dieses besitzt auch Fuchs. Die Studentin ist nicht selten auch abends in der Stuttgarter Innenstadt. „Wenn ich sehr spät unterwegs bin, schicke ich einen Live-Standort an eine Freundin“, verrät Fuchs. Obwohl sie schon häufig verbal sexuell belästigt worden sei, fühle sie sich in Stuttgart relativ sicher. Ihr Pfefferspray trage sie daher in der Landeshauptstadt nicht bei sich.
Fuchs folgt damit der Empfehlung des Landeskriminalamts, das sich gegen die Bewaffnung zur Selbstverteidigung ausspricht. Und das aus gleich mehreren Gründen. So bedürfe zum einen der richtige Umgang der ständigen Übung und Prüfung der Einsatzfähigkeit der Waffe – sonst bestehe die Gefahr der Selbstverletzung. Zum anderen sei die Waffe unter Stress meist nicht schnell genug griffbereit. Darüber hinaus könne eine Waffe die eigene Risikobereitschaft erhöhen und zur Gewalteskalation führen.
Schrillalarmen sind eine gute Alternative
Des Weiteren bestehe die Gefahr, dass sich der Täter die Waffe schnappt und gegen das Opfer verwendet. Und abschließend erschwere die Waffe es sowohl den Helfenden als auch der Polizei, zu erkennen, wer der Täter und wer das Opfer ist. Doch wie können sich Frauen schützen, wenn nicht mit Selbstverteidigungswaffen wie Pfefferspray? Das Landeskriminalamt sieht in Schrillalarmen eine gute Alternative. Bei diesen lässt sich per Knopfdruck ein schriller Ton von 100 Dezibel und mehr abgeben. „Das führt im Idealfall dazu, dass der Täter irritiert ist und das Opfer weglaufen kann oder dass der Täter selbst flüchtet“, erklärt ein Polizeisprecher.
Um einem Übergriff vorzubeugen und das eigene Sicherheitsgefühl zu erhöhen, hat die Polizei einige Tipps parat. Beispielsweise empfiehlt sie, die verschiedenen Handlungsoptionen gedanklich durchzuspielen. Dies könne im Ernstfall schnelles Handeln erleichtern. Zum anderen rät das Landeskriminalamt, die Umgebung aufmerksam zu beobachten.
Ein Tipp: Den Angreifer mit „Sie“ ansprechen
Auf diese Weise ließen sich Gefahren früh erkennen. Zudem empfiehlt die Polizei, beleuchtete und weitläufig einsehbare Wege zu nutzen. Bei diesen werde der Verfolger rechtzeitig gesehen und der Bereich sei für Helfende einsehbar. Auch selbstsicheres Auftreten könne den Täter abschrecken.
Sollte es trotz der Vorsichtsmaßnahmen zu einem Übergriff kommen, rät die Polizei dazu, sich mit Worten zu wehren – beispielsweise durch Sätze wie „Nein heißt nein!“ oder ähnliche klare Botschaften. Dabei helfe es, den Übergriff klar zu benennen. Wichtig sei es, sachlich zu bleiben, um eine weitere verbale Provokation oder eine körperliche Konfrontation zu vermeiden. Damit dies gelingt, sollten das Gesagte und die Körpersprache einheitlich sein. Ein weiterer Tipp des Landeskriminalamts lautet, die andere Person zu siezen. So sei für Außenstehende erkennbar, dass keine private Streitigkeit vorliegt.
Unbeteiligte Zuschauer gezielt ansprechen
Wenn trotz eines offensichtlichen Übergriffs kein Außenstehender eingreift, ist es notwendig, sich selbst um Hilfe zu kümmern. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise gelingen. Durch das laute Rufen nach Hilfe, durch das gezielte Ansprechen unbeteiligter Personen („Sie da, im roten Anorak an der Tür!“) und durch das Anrufen der Polizei unter der Telefonnummer 110 oder über die offizielle Notruf-App „nora“.
Körperliche Gegenwehr, so das Landeskriminalamt, sollte nur dann erfolgen, wenn keine andere Option erfolgversprechend erscheint. In dem Fall empfiehlt die Polizei sich frühzeitig, unvermittelt und möglichst heftig zu wehren. Wie das auch ohne Waffe gelingt, können Frauen unter anderem in Selbstverteidigungskursen lernen.
Theresa Fuchs hat die Teilnahme an diesen nicht nötig. Die 22-Jährige absolviert derzeit einen Kung-Fu-Kurs und hat früher Karate gemacht. Jedoch jeweils aus Spaß. Das kann mit den richtigen Vorsichtsmaßnahmen auch der Nachtspaziergang in Stuttgart machen.
Zahlen zu Übergriffen gegen Frauen
Opfer
Aus der Polizeikriminalstatistik 2021 geht hervor, dass es im vergangenen Jahr 9903 erfasste Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sonstiger sexueller Übergriffe in Deutschland gab. Von den 9986 Opfern waren 94 Prozent weiblich.
Täter
Bei den oben beschriebenen Fällen gab es 8558 Täter. Davon waren lediglich 118 weiblich. Der Großteil der Täter ist männlich und deutsch.
Trend
Die Zahl der Fälle von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder sonstiger sexueller Übergriffe war mit 11 282 erfassten Fällen zuletzt 2017 höher. Prozentual gesehen hat sich mit Blick auf das Geschlecht bei beiden Rollen nicht viel verändert.