Flüge gelten für viele Menschen als die Klimasünde schlechthin. Und wenn Reisen in ein paar Monaten hoffentlich wieder einfacher ist, wird das auch wieder zum Thema werden. Ich habe einen Kumpel gefragt, was diese Diskussion mit Menschen macht, deren Beruf das Fliegen ist.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Stuttgart - Von welchem Beruf hast du geträumt, als du ein Kind warst? Ich wollte unbedingt Rennfahrer werden, eine Zeit lang habe ich kein einziges Formel-1-Rennen im Fernsehen verpasst. In meinen Gedanken war ich der Einzige, der Michael Schumacher schlagen konnte. In der Realität war ich nicht mal bei Kartrennen mit den Kumpels der Schnellste - und besonders klimafreundlich wäre so eine Rennfahrerkarriere auch nicht gewesen.

 

Mein Kumpel Franz hatte auch einen Traum. Er wollte Pilot werden, das war schon in der Schule ein Thema. Er machte erst eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, nach ein paar Jahren bekam er einen Job als Flugzeugtechniker bei einer Airline. Aus dem Job raus begann er eine Pilotenausbildung. Er hat viel Geld investiert, aber letztendlich hat er es geschafft. Heute fliegt er einen Unternehmer zu seinen wichtigsten Geschäftsterminen rund um die Welt. Zumindest, wenn es die Länder im Lockdown gerade zulassen.

Ich finde es ziemlich cool, dass er sich das erarbeitet hat, wovon er schon als Junge geschwärmt hat. Aber natürlich geht auch an ihm die Diskussion um Flugscham und die CO2-Belastung durch Flüge nicht vorbei. Ich habe ihn gefragt, was diese Themen für ihn und seine Kolleg*innen bedeutet.

„Bei älteren Piloten ist die Umwelt kein Thema“

Zu dir haben schon Leute gesagt, dass es unverantwortlich ist, deinem Beruf nachzugehen. Was antwortest du denen?

Ich sage dann, dass es natürlich Ansichtssache ist. Im Prinzip könnte man in jedem Beruf etwas finden, was gegenüber der Umwelt unverantwortlich ist. Ob es der Landwirt ist, der Glyphosat auf die Felder streut oder der Arbeiter in einer Fabrik, die jede Menge CO2 ausstößt.

Ich sehe das einfach als Beruf, und solange ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann, sehe ich es nicht ein, mir von jemand anderem sagen zu lassen, was ich machen darf oder dass ich der Vernichter der Welt bin.

Du bist als Pilot ja Dienstleister, andere bezahlen dich dafür, dass du sie in den Urlaub oder zu einem Meeting fliegst. Findest du es in Ordnung, das anzubieten?

Man muss sich selbst schon auch fragen, ob man diese Dienstleistung anbieten will oder nicht. Wenn man darauf bedacht ist, ausschließlich auf die Umwelt schauen zu wollen, dann darf man diesen Job auch nicht machen.

Ich finde aber, man muss unterscheiden. Auf der einen Seite gibt es das Fliegen rein aus Spaß, wie das Charter-Fliegen, das ich früher gemacht habe. Ich hatte Situationen, in denen zuerst der Mann in den Urlaub fliegt und danach die Frau, weil die beiden nicht miteinander im Flugzeug unterwegs sein wollten. Das könnte ich wahrscheinlich über längere Zeit mit meinem Gewissen auch nicht vereinbaren.

Was ich jetzt mache dagegen schon: Ich fliege meinen Chef, der eine riesige Firma leitet, zu seinen notwendigsten Terminen. Da steht ein Unternehmen dahinter, eine Menge Jobs hängen daran. Das gehört zur Wirtschaft dazu. Aber zum Spaß für ein Wochenende nach New York fliegen, das muss nicht sein.

Wie ist es bei deinen Pilotenkolleg*innen, ist da ein Bewusstsein für Klimaschutz und CO2-Ausstoß vorhanden?

Ich fliege meist mit einer etwas älteren Generation, und bei denen ist das überhaupt kein Thema. Das Verständnis dafür ist erst ab unserer Generation vorhanden (wir sind beide etwa Mitte 30, Anm.). Ein Bekannter von mir aus der Flugschule hat letztes Jahr den Job an den Nagel gehängt, weil er das nicht mehr mit sich vereinbaren konnte. Damit war er bestimmt nicht der Letzte.

Angst vor dem Gespräch mit der Tochter

Die ältere deiner beiden Töchter ist jetzt elf Jahre alt. Hat sie schon mal gesagt, Papa, das ist nicht gut für das Klima, was du da machst?

Nein, dafür ist sie wahrscheinlich noch zu jung. Was ihr derzeit eher Gedanken macht, ist, dass ich viel weg bin. Aber sie fangen in der Schule gerade an, aufzuarbeiten, wie verschiedene Dinge mit der Umwelt zusammenhängen. Deswegen kommt in den nächsten Jahren bestimmt eine Diskussion auf mich zu. Davor fürchte ich mich viel mehr, als wenn ich mich gegenüber anderen Menschen verantworten muss. Und ich weiß auch noch nicht, wie ich das angehen werde.

Gerade können Franz und andere Pilot*innen ein wenig durchatmen. Aufgrund der Coronakrise wird wesentlich weniger geflogen, in Deutschland waren es im vergangenen Jahr 56 Prozent weniger Flüge als im Jahr zuvor. Dementsprechend werden auch die Klimaauswirkungen des Fliegens gerade kaum diskutiert - normalerweise fallen 7 Prozent des ausgestoßenen CO2 auf den Flugverkehr. Aber der Wunsch nach Urlauben ist groß, auch Geschäftsreisen werden wieder anfallen - und die Klimadiskussion zurückkehren.

Hast du Pilot*innen in deinem Freundeskreis, mit denen du schon übers Fliegen und den Klimaschutz gesprochen hast? Oder hat sich jemand vehement gegen einen Flug in den gemeinsamen Urlaub gewehrt und wollte stattdessen in den Nachtzug steigen? Schreib mir gern über deine Erfahrungen an florian.gann@stzn.de.

Florian Gann ist immer dazu verleitet, den moralischen Zeigefinger zu erheben, wenn Bekannte für Kurztrips Tausende Kilometer weit fliegen. Manchmal kann er sich aber zurückhalten. Und ab und zu fliegt er auch selbst, zuletzt vor etwas mehr als zwei Jahren. Ansonsten kümmert sich der Redakteur um verschiedene überregionale Seiten dieser Zeitung.