5000 Einweg-Windeln braucht ein Baby im Schnitt, bis es trocken ist. Das macht viel Müll. Wer Stoffwindeln kauft, verursacht weniger Abfall – dafür benötigt das viele Waschen Energie und Wasser. Wie sie im Vergleich abschneiden und welche Erfahrungen Eltern mit Stoffwindeln machen.

Stuttgart - In der aktuellen Ausgabe von Stiftung Warentest bin ich über eine Zahl gestolpert, die ich ziemlich beeindruckend fand: 5000 Einwegwindeln verbraucht ein Baby im Schnitt, bis es trocken ist. Diese Zahl taucht in der aktuellen Ausgabe von Stiftung Warentest auf. Jedes Jahr fallen demnach in Deutschland mehr als 150 000 Tonnen Windel-Müll an. Laut Angaben des Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) machen Windeln in vielen Gemeinden einen Anteil von zehn Prozent des gesamten Restmüll-Aufkommens aus.

 

Eine Alternative, die es schon seit langem gibt, sind Stoffwindeln. Bis zum Jahr 1975 waren sie in Deutschland das einzige System der Wahl. Inzwischen allerdings tragen laut Stiftung Warentest hierzulande 95 Prozent aller Babys Einwegwindeln. Daher soll es heute um die Frage gehen, ob die Ökobilanz von Stoffwindeln tatsächlich besser ist als die von Einwegwindeln - und wie gut es funktioniert, das eigene Baby mit Stoffwindeln zu wickeln. Denn da gibt es ja auch einige Vorurteile.

Sind Stoffwindeln wirklich nachhaltiger?

Wer wiederverwendbare Windelsysteme nutzt, produziert weniger beziehungsweise keinen Müll. Immer wieder allerdings wird gegen Stoffwindeln die Energie- und Wasserbilanz angeführt. Denn klar: Stoffwindeln müssen gewaschen und getrocknet werden. Das UN-Umweltprogramm hat Studien analysiert und kommt zu dem Schluss, dass Mehrwegwindeln dann eine bessere Ökobilanz haben als Einwegwindeln, wenn sie in einer voll beladenen Maschine mit weniger als 60 Grad gewaschen und nicht im Trockner getrocknet werden. Fazit: Bei wiederverwendbaren Windeln komme es sehr auf das jeweilige Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer an.

Um mehr darüber zu erfahren, habe ich mit Stephan Pucher telefoniert, er ist Umweltberater beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg. „Wie die Bilanz ausfällt, hängt bei Stoffwindeln tatsächlich stark davon ab, ob die Waschmaschine voll ist beim Waschgang und ob man die Windeln im Wäschetrockner trocknet oder auf der Leine“, sagt er. Auch ob man grünen Strom beziehe oder nicht spiele eine große Rolle.

Was nützen Windel-Dienste – und werden sie bezuschusst?

Pucher selbst hält Windel-Dienste für eine gute Sache – Dienstleister also, die volle Windeln einsammeln, in großen Maschinen waschen und wieder zurückbringen. Durch die Menge an Windeln, die hier zusammen gewaschen und getrocknet werde, könne das die Bilanz insgesamt durchaus verbessern, sagt Pucher. Allerdings kommt es dabei natürlich auch auf die Distanzen und auf das Fortbewegungsmittel der Windeldienste an. Es könnte aus Sicht von Kommunen sinnvoll sein, Windeldienste zu fördern, die etwa mit Lastenrädern unterwegs seien, schlägt er vor. So falle in der jeweiligen Gemeinde weniger Müll an, die Dienstleistung gehe aber nicht auf Kosten der Umwelt. Einzelne Kommunen – beispielsweise die Stadt Tübingen – bieten Familien bereits finanzielle Zuschüsse an, wenn sie einen Windeldienst nutzen. Im Landkreis Esslingen gibt es zumindest einen Zuschuss für die Anschaffung von Stoffwindeln.

Pucher gibt noch einen weiteren Punkt zu bedenken, der sich ebenfalls auf die Bilanz von Windeln auswirken kann: „Kinder, die Stoffwindeln tragen, werden in der Regel wesentlich schneller trocken als solche, die immer sehr bequeme, saugfähige Einwegwindeln tragen“, sagt er und spricht dabei auch aus eigener Erfahrung. „Sie merken selbst besser als bei Hightech-Einwegwindeln, wenn die Windel voll ist - und wollen sie deshalb oft auch schneller loswerden“, sagt Pucher.

Auch preislich dürften Stoffwindeln besser abschneiden als ständig neu gekaufte Einweg-Windeln. Insgesamt also zieht der Umweltexperte eine positive Bilanz: „Es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann. Am Ende kommt man mit Stoffwindeln jedenfalls wesentlich ökologischer weg als mit Einweg-Windeln.“

Wie praktisch sind Stoffwindeln in der Handhabung?

Weil ich selbst keine Kinder und entsprechend auch keine Erfahrungen mit verschiedenen Windelsystemen habe, habe ich meine Freundin Philippa angerufen. Ihr Sohn Quinn ist 7 Monate alt und trägt Stoffwindeln. „Ich war am Anfang nicht überzeugt von der Idee, weil es nach sehr viel Arbeit klang, aber mein Mann wollte das gerne“, sagt Philippa. „Inzwischen bin ich auch ein großer Fan davon.“ Ein bisschen mehr Arbeit sei das mit den Stoffwindeln schon, sagt sie, aber sie findet auch, dass es sich lohnt: „Wenn wir im Urlaub mal eine Woche normale Windeln benutzen, sind wir jedes Mal erschrocken, wie viel Müll das macht – das könnte ich mir für den Alltag nicht vorstellen.“

Es gibt viele verschiedene Stoffwindel-Systeme, alle funktionieren ein bisschen anders. Neu kostet ein komplettes Set mehrere hundert Euro. Philippa und ihr Mann haben sich Second Hand drei Überhosen aus Kunststoff und 23 dazugehörige Baumwoll-Windelhöschen besorgt, als Einlage nutzen sie als innerste Schicht dazu noch saugfähiges Windelvlies. Je nach Produkt wird das dünne Windelflies direkt entsorgt, wenn es voll ist – dann fällt ein bisschen Müll an. Manche Vliessorten kann man auch ein paar Mal waschen. Alternativ gibt es solche saugfähigen Einlagen auch aus anderem, waschbaren Material. Statt Feuchttücher zum Abwischen verwenden sie beim Wickeln außerdem waschbare Mini-Waschlappen.

Wohin mit den vollen Stoffwindeln?

Um die vollen Windeln zu sammeln, nutzen Philippa und ihr Mann zwei Wetbags: Einen kleinen für unterwegs und einen großen Wetbag für zuhause. Diese Beutel schließen dicht ab, riechen daher nicht und man kann sie mitsamt ihres Inhalts in die Waschmaschine schmeißen. „Wir wickeln aktuell ungefähr sechs Mal am Tag und waschen alle drei Tage eine volle Maschine“, sagt Philippa.

„Ein Unglück hatten wir, als wir im Urlaub Einwegwindeln benutzt haben - mit Stoffwindeln ist bisher noch nie was passiert.“ Einen Tipp hat sie noch: Weil der Windelpopo des Babys durch die Stoffwindel etwas größer ist, rät sie, eine Bodyverlängerung zum Anknöpfen zu kaufen, sagt sie. „Enge Babyjeans gehen mit Stoffwindeln halt eher nicht.“

Und was ist mit andern Alternativen, zum Beispiel kompostierbaren Einweg-Windeln?

In der August-Ausgabe ihres Magazins schreibt Stiftung Warentest, dass sich auch der ökologische Fußabdruck von herkömmlichen Windeln verbessern lasse – vor allem durch niedrigeren Rohstoffverbrauch. In den letzten Jahrzehnten habe sich das Gewicht von Wegwerf-Windeln deutlich reduziert, die leichteste Windel, die Stiftung Warentest geprüft hat, wiegt demnach 29 Gramm: Pampers Baby Dry. „Jedes Gramm weniger bedeutet pro Kind bis zu fünf Kilogramm weniger Müll über die gesamte Windeltragezeit“, schreiben die Tester.

Zudem gibt es in Italien und den Niederlanden bereits Pilotprojekte, in denen Wegwerf-Windeln eingesammelt und recycelt werden. Auch nachhaltige Materialien für Einweg-Windeln könnten die Bilanzen verbessern. Einige Produkte haben zum Beispiel den Blauen Engel, weil sie aus nachhaltig produziertem Zellstoff bestehen. Teils wird dafür auch recycelter oder biobasierter Kunststoff eingesetzt, außerdem ist der Einsatz von Duftstoffen und problematischen Substanzen verboten.

Öko-Einweg-Windeln sind nur teilweise kompostierbar

Inzwischen gibt es nicht nur ein paar Windel-Hersteller, die an vollständig kompostierbaren Einweg-Windeln arbeiten. Einzelne bewerben ihre Produkte auch schon als kompostierbar. Allerdings gilt das in der Regel nicht für die komplette Windel, sondern nur für einzelne Schichten oder Teile. Stephan Pucher sieht abbaubare Windeln aus biobasierten Materialien grundsätzlich eher kritisch: „Eine Kompostieranlage erkennt nicht, ob eine Windel kompostierbar ist – sie wird daher ganz aussortiert“, sagt er. Manche Hersteller kompostierbarer Windeln empfehlen auch, die Produkte auf dem heimischen Kompost zu entsorgen und dann die nicht-kompostierbaren Teile herauszusieben. Doch wenn täglich fünf volle Windeln auf dem Gartenkompost landen, sei der schnell voll, gibt Pucher zu bedenken. Das klingt eher unpraktikabel.

Insgesamt kommt es bei Windeln sicher total darauf an, ob Eltern und Kind mit den jeweiligen Wickelmethoden gut klarkommen. Immerhin gibt es mit den Stoffwindel-Systemen eine Alternative zu den Wegwerf-Windeln.

Hanna Spanhel wartet ungern darauf, dass Politik oder Wirtschaft mehr für den Klimaschutz tun, sondern denkt lieber darüber nach, was jede und jeder selbst tun kann. Die Redakteurin kümmert sich ansonsten um die Wissens-Seiten dieser Zeitung.