Mit dem Übermorgen-Markt auf dem Marienplatz wollten die Veranstalter dem ihrer Meinung nach „verödeten Thema Nachhaltigkeit“ einen „gesünderen, bunteren und poppigeren Anstrich“ verleihen – und stießen damit auf größeres Interesse, als sie erwartet hatten.

Stuttgart - Solch eine Zusammenstellung hatte in Stuttgart sicherlich noch kein Markt bisher. „Strom, Flüchtlingshilfe, Bienenhonig“, sagt Thorsten Puttenat und zeigt mit dem Finger auf drei nebeneinander platzierte Stände beim Übermorgen-Markt auf dem Marienplatz. Er sitzt im kleinen Zelt der Stadtisten und macht Werbung für die Unterstützung von Flüchtlingen in Stuttgart mittels einer Internet-Plattform. „Da wird auf sehr pragmatische Weise Hilfe bei der Vermittlung von Wohnungen, Wohngemeinschaften, Jobs oder kleineren Alltagsdingen angeboten“, so Puttenat. Fast 17.000 Unterstützer sind dem virtuellen Freundeskreis verbunden. Wer will, kann sich registrieren lassen oder sich bei Margit Herrler als Sprachpartner für Geflüchtete im Haus Martinus melden.

 

Der Stand der Stadtisten ist einer von über 50, die sich an diesem ersten Markt für nachhaltige Produkte und ökologischen Lebensstil beteiligen. „Es gab keinen Standplan vorher, es ist alles ein bisschen improvisiert“, sagen Dominik Ochs und Lennart Arendt über die bunte Hütten- und Buden-Welt, die sich am Samstag von 10 Uhr morgens bis in den Abend hinein den Besuchern des Marienplatzes präsentiert. Die beiden Veranstalter haben selbst Hand angelegt und mit Holzlatten 25 Stände errichtet. Für Ochs und Arendt ist es die praktische Umsetzung dessen, was sie in ihrem seit 2014 vierteljährlich erscheinenden Übermorgen-Magazin propagieren: dem ihrer Meinung nach „verödeten Thema Nachhaltigkeit“ einen „gesünderen, bunteren und poppigeren Anstrich“ zu verleihen. „Absicht war es schon immer, auch einmal einen Markt zu veranstalten“, so Ochs. Und Arendt ergänzt: „Aber es ist doch was anderes, als eine Zeitung zu machen. Hier ist alles lebhaft und in direkter Verbindung mit den Menschen.“

Veranstalter wahren Regionalität

Durch ihr mittels des Magazins aufgebautes Netzwerk ist es den beiden Veranstaltern leicht gefallen, diesen ersten Übermorgen-Markt mit Ausstellern zu bestücken. Um die selbst auferlegte Regionalität zu wahren, haben Ochs und Arendt nur Aussteller zugelassen, die im Umkreis von 50 Kilometer angesiedelt sind.

Nur einen Steinwurf vom Marienplatz entfernt hat beispielsweise die Radtheke ihr Zuhause. Mit Neuverwendung von Einzelteilen und dem Recyceln von Altmaterial legen Inhaber Hotte Hoss und Mitarbeiter Fabrizio Fischer großen Wert auf die langlebige Nutzung, wie sie es an ihrem Stand demonstrieren. „Interessant, wo man Nachhaltigkeit hier überall antrifft“, ist Fischer beim Gang über den Markt selbst ein wenig überrascht über die Vielfältigkeit des Angebots.

Es ist nicht zu übersehen, dass neben kreativem Handwerk, alternativer Mode und ökologisch ausgewogenen Lebensmitteln und Verzehrständen vor allem der Bereich dominiert, den die Veranstalter unter das Motto Initiativen gestellt haben. Das reicht vom Stadtteilbauernhof über Greenpeace bis zur offenen Werkstatt HobbyHimmel oder dem Innovationskonzept Cradle to cradle, das übersetzt von der Wiege zur Wiege bedeutet. Der 2014 gegründete Verein hat sich eine „Welt ohne Müll“ zum großen Ziel gesetzt. „Das ist natürlich ein ganz langer Prozess, aber wir wollen zeigen, wie mit nachhaltigem Design Produkte und Verbrauchsgüter einem kontinuierlichen Kreislauf zugeführt werden können, und dass es da schon einiges gibt“, sagt Jonas Umgelter. Dabei sei ein Markt wie dieser „super geeignet“, die Idee und den Verein bekannter zu machen.

Wer muss, geht zur Komposttoilette

Sogar die Toiletten sind beim Übermorgen-Markt anders, als man sie von öffentlichen Veranstaltungen kennt. Statt Dixi-Klos mit viel Chemie nutzen die, die mal müssen, eine der vier aufgestellten Komposttoiletten. Sägespäne als saugfähiges Streumaterial binden die Hinterlassenschaften umweltfreundlich und geruchlos. Später wird alles einer Kompostieranlage und der Landwirtschaft zugeführt. Nachhaltigkeit, wohin man blickt.

Am Ende eines langen Tages sind die Veranstalter hoch zufrieden: „Unsere Erwartungen sind übertroffen worden“, sagt Dominik Ochs zu geschätzt zwischen 5.000 und 8.000 Besuchern. „Selbst während des einstündigen Regenschauers am frühen Nachmittag sind die Leute nicht gegangen.“ Dass es eine weitere Auflage des Marktes geben wird, haben Ochs und Arendt schon am heutigen Tag beschlossen.