Völlig überraschend hat sich der Ludwigsburger Gemeinderat mehrheitlich gegen den Bau einer neuen Lidl-Filiale mitsamt Wohnungen in der Oststadt ausgesprochen. Das Rathaus und das Unternehmen sind konsterniert – werden aber wohl nicht aufgeben.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Die Abstimmung schien nur eine Formalie zu sein. Immerhin hatten sich die Stadträte in der vergangenen Woche im Bauausschuss schon einmal mit den Neubauplänen von Lidl in der Ludwigsburger Oststadt beschäftigt und das Projekt mit klarer Mehrheit befürwortet. Daran konnten auch Proteste einzelner Anwohner nichts ändern. In dieser Woche dann sollte der Gemeinderat endgültig einen Haken an die Sache machen, und alles kam ganz anders – völlig überraschend hat eine knappe Mehrheit von Grünen, SPD, FDP, Ökolinx und Lubu den Planungen jetzt einen Riegel vorgeschoben. Weshalb nicht nur Lidl selbst, sondern auch die Stadtverwaltung vor einem Scherbenhaufen steht. Denn das Rathaus hatte in den vergangenen Monaten intensiv für die Umsetzung geworben. „Ich bin überrascht und enttäuscht“, sagt der Chef-Stadtplaner Martin Kurt, und an seiner Stimme lässt sich erkennen: Ein bisschen wütend ist er wohl auch.

 

Das dürfte auch für Peter Mayerhöfer gelten. „Wir können die Entscheidung nicht nachvollziehen“, sagt der Immobilienleiter der Lidl-Regionalgesellschaft. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere Planung eine gute Lösung für alle Beteiligten gewesen wäre, die zur städtebaulichen Entwicklung des Quartiers und zur Entspannung des Wohnungsmarktes in Ludwigsburg beigetragen hätte.“

Das Konzept sah vor, die alte und inzwischen zu eng gewordene Filiale an der Hindenburgstraße abzureißen und durch einen Neubau mit annähernd doppelt so großer Verkaufsfläche zu ersetzen. Um auf dem Grundstück trotzdem ausreichend Stellplätze unterzubringen, sollte die Verkaufsfläche ins erste Obergeschoss weichen. Darüber wiederum sollten 38 Wohnungen gebaut werden, was ganz im Sinne der Stadtverwaltung wäre, weil Wohnraum in Ludwigsburg Mangelware ist.

Mehr Parkplätze, Wohnungen – die Stadt hatte intensiv für die Umsetzung geworben

Auch in einem weiteren Punkt war Lidl dem Rathaus in den Vorverhandlungen entgegengekommen. Unter den ebenerdigen Kundenstellplätzen sollte eine Tiefgarage mit 55 Parkplätzen für die neuen Wohnungen und noch einmal 55 Parkplätzen für Anwohner im Umfeld entstehen. Hier gilt das gleiche wie beim Thema Wohnen: Parkraum ist Mangelware. Zudem ist der Stadt daran gelegen, den dortigen Einkaufsstandort langfristig zu sichern: „Der Lidl-Markt hat eine zentrale Bedeutung für die Versorgung in der Oststadt“, sagt Kurt.

Der Knackpunkt war stets die Höhe des Gebäudes. Mit den ebenerdigen Parkplätzen, den darüberliegenden Verkaufsflächen und dem Wohngeschoss entstünde ein Koloss, der an der Hindenburgstraße 17 Meter misst. Was der Grund war, warum einige Anwohner in den vergangenen Wochen massiv Stimmung gegen das Vorhaben machten. Sie befürchten, dass ihre Wohnungen im Schatten versinken.

Der Widerstand hat sich offenbar ausgezahlt. Obwohl die Grünen dem Anwohnerprotest Ende Januar noch eher wenig Bedeutung beimaßen, stellten sie nun im Gemeinderat einen folgenschweren Antrag: Die Verkaufsfläche müsse im Erdgeschoss bleiben, heißt es in dem Text, der schließlich eine Mehrheit fand.

Lidl ist nicht bereit, die Planung grundlegend zu verändern

Darauf, das war von vornherein klar, wird sich das Unternehmen kaum einlassen. „Eine ebenerdige Verkaufsfläche kommt für uns nicht infrage“, sagt Mayerhöfer. Das hat mehrere Gründe: Die Lidl-Parkplätze müssten dann in die Tiefgarage verlagert werden, was der Discounter ablehnt – weil die Erfahrung zeigt, dass unterirdische Parkplätze eher abschreckend auf Kunden wirken. Für die Anwohnerstellplätze müsste außerdem eine zweite Tiefgaragenebene geschaffen werden. „In Anbetracht der damit entstehenden hohen Kosten ist das Projekt aus wirtschaftlicher Sicht nicht umsetzbar“, erklärt Lidl. Vor diesem Hintergrund werde man die Situation neu bewerten und sich „intern über die nächsten Schritte abstimmen“.

Martin Kurt macht sich keine Illusionen, wie das Ergebnis ausfallen wird. „Es bleibt alles, wie es ist.“ Das heißt: keine Wohnungen, keine zusätzlichen Stellplätze, kein moderner Discounter. Wütend macht den Stadtplaner, dass einige Anwohner zuletzt lautstark kritisiert hatten, sie seien in die Planung nicht eingebunden gewesen. „Wir haben alles getan, um die Bürger früh zu informieren und Kompromisse zu finden“, erwidert Kurt. Tatsächlich hatte Lidl die Gebäudehöhe zuletzt noch einmal reduziert. Die Sorgen wegen der Verschattung, so Kurt, seien unbegründet.

Aufgeben wird die Stadt wohl nicht. Mindestens sechs Monate müssen vergehen, bevor ein vom Gemeinderat abgelehntes Vorhaben erneut auf die Tagesordnung gehoben werden darf. In der Regel macht die Verwaltung von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. Kurt deutet an, dass es diesmal anders sein könnte. „Ich hoffe sehr, dass es weitergeht“, sagt er.