Künftig können die Hemminger einfacher nachsehen, welche Miete im Ort üblich ist. In Ditzingen und Gerlingen, wo Vermieter mehr verlangen, ist das bereits der Fall. Eine Stadt im Strohgäu verzichtet auf ein eigenes Regelwerk.

Strohgäu - Wohnen in Hemmingen ist kaum günstiger als im restlichen Strohgäu oder in Ludwigsburg. Was viele Bürger vermutlich längst wussten, können sie nun nachlesen: Im ersten qualifizierten Mietspiegel der Gemeinde, der an diesem Donnerstag in Kraft tritt. Dort erfahren die Hemminger, dass die Durchschnitts-Nettomiete bei 8,31 Euro pro Quadratmeter liegt. Gesamtwohnfläche und Baujahr bestimmen den Preis: Die Spanne pro Quadratmeter reicht von 7,63 bis 13,80 Euro.

 

Geringverdiener profitieren

Die Gemeinde ist froh über den Mietspiegel. „Mieter und Vermieter haben damit ein verlässliches Orientierungsmittel, um die ortsübliche Miete für ihre Wohnungen zu bestimmen, ohne sich dafür groß in Kosten stürzen zu müssen“, sagt Elke Baum vom Amt für Liegenschaften. Das ist aber nicht der alleinige Vorteil: „Der Mietspiegel trägt dazu bei, das Mietpreisgefüge bei nicht preisgebundenen Wohnungen transparent zu machen und Streits vor Gericht zu vermeiden“, meint Elke Baum. Ihrer Erfahrung nach profitierten vor allem ärmere Menschen: Sie täten sich auf dem Wohnungsmarkt schwer, und mangels Alternativen zahlten sie oft überteuerte Mieten.

Was eine Wohnung letztlich kostet, hängt auch von Merkmalen wie Lage und Ausstattung ab. Entsprechend werden Zu- oder Abschläge gemacht, die Wohnung wird also auf- oder abgewertet und so teurer oder günstiger. „Neue Wohnungen ab dem Baujahr 1990 liegen deutlich über dem Schnitt“, stellt Elke Baum fest. Die Nähe zu Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs wirke sich „erstaunlicherweise“ nicht positiv auf den Mietpreis aus. „Bei der Mikrolage, das engere Umfeld der Immobilie, zeigte sich, dass im Wesentlichen nur die Lärm- und Umweltbelastung, die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten des täglichen Bedarfs und die Lage der Wohnung im Gebäude preisrelevant sind.“ Abweichungen nach oben oder unten von der im Mietspiegel errechneten durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete müssen laut Baum begründet werden.

Viele blicken nach Ludwigsburg

Den Mietspiegel erstellte Hemmingen im Rahmen einer vom Land geförderten Kooperation: Kornwestheim wollte auch einen qualifizierten Mietspiegel, Ludwigsburg hat bereits seit Jahren einen. Und an ihm orientieren sich andere Kommunen ohne Regelwerk, oder sie nutzen ihn als Basis für einen einfachen Mietspiegel. Bislang blickte auch Hemmingen auf Ludwigsburg, wo der Quadratmeter im Schnitt 9,13 Euro kostet – und nahm dann einen Abschlag von zehn Prozent vor, um herauszufinden, ob die Miete in der Gemeinde der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht.

Ein qualifizierter Mietspiegel ist genauer als ein einfacher. Er wird nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt. Als Datengrundlage werden Haushalte detailliert nach ihrer Wohnsituation befragt, so, wie das zwei Monate lang in Hemmingen der Fall war. In zwei Jahren aktualisiert die Gemeinde den Mietspiegel, der auch im Internet verfügbar ist.

Gerlingen hat die höchsten Mieten

Gerlingen hat seit dem 1. Juli 2018 einen qualifizierten Mietspiegel. Die Erfahrungen bei Haus und Grund, dem Interessenverband der Immobilieneigentümer, sind durchweg positiv. „Viele Vermieter sind begeistert und froh, dass man etwas Konkretes an der Hand hat“, sagt Jasmin Lisa Himmelsbach. Die Rechtsanwältin vertritt Mitglieder in allen Angelegenheiten, die mit dem Haus zusammenhängen – also auch bei Mietfragen. Jüngere Leute würden den Mietrechner im Internet (www.mietspiegel-gerlingen.de) gut annehmen, ältere Menschen gerne den Kontakt mit dem Mieter komplett an das Anwaltsbüro abgeben, das mit Haus und Grund zusammenarbeitet. Etwa 100 Anfragen würden im Jahr bearbeitet, wovon dann rund ein Viertel vor Gericht entschieden wird. „Wir versuchen aber immer, eine Einigung oder einen Vergleich zu erzielen“, sagt Himmelsbach.

Die Mieten in Gerlingen sind die höchsten im Strohgäu – wegen der Nähe zu Stuttgart, zu Wald und Grün. Die unteren Bereiche liegen bei rund acht, die obere Grenze bei 16 Euro pro Quadratmeter. Wobei der Mietspiegel als teuerste Kategorie die Baujahre von 2011 an benenne, sagt Himmelsbach – also nicht nur Neubauten. „Auch bei Neuabschlüssen orientieren sich viele Vermieter am Mietspiegel, obwohl sie das gar nicht müssten“, hat die Anwältin schon erfahren.

Aus Sicht der Verbände sind Mietspiegel unerlässlich

Mietspiegel gibt es für die meisten größeren Kommunen im Land. Die Verbände der Mieter und Vermieter halten sie für unerlässlich. In Ditzingen beträgt der Mietpreis – im Schnitt aller Werte und Baujahre zwischen 2005 und 2016 – laut der Stadt zwischen 9,23 Euro pro Quadratmeter und maximal 12,70 Euro. Die Ditzinger haben seit rund sechs Jahren einen eigenen Mietspiegel, nachdem sich die Stadt jahrelang an Fellbach (Rems-Murr-Kreis) orientierte. Weil aber wegen der erheblichen Unterschiede juristische Zweifel an dem Verfahren laut wurden, erstellten die Ditzinger einen eigenen.

Korntal-Münchingen verzichtet trotzdem weiter auf einen eigenen Mietspiegel. Der Gutachterausschuss ziehe bei der Erstellung von Wertgutachten für bebaute Grundstücke den Mietspiegel Ludwigsburg heran, sagt der Leiter des Fachbereichs für Stadtentwicklung, Stefan Wolf. „Die Stadt orientiert sich bei eigenen Objekten am Mietspiegel von Fellbach, wobei wir für Münchingen und Kallenberg einen Abschlag von fünf Prozent vornehmen.“