Die Koalition hat lange gebraucht, um sich auf neue Regeln zu verständigen. Sie gehen nicht nur zu Lasten der Arbeitnehmer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die Lücken des Datenschutzes in Betrieben sind offenkundig. Namhafte Unternehmen ließen ihr Personal bespitzeln. Einschlägige Affären bei dem Discounter Lidl, der Bahn oder der Telekom veranlassten Union und FDP, ihrem Koalitionsvertrag von 2009 ein Gesetz in Aussicht zu stellen, das den betrieblichen Datenschutz regelt. Im Sommer 2010 hat das Kabinett einen Entwurf dafür beschlossen. Wegen massiver Einwände von Gewerkschaften und aus der Wirtschaft wurden etlichen Passagen korrigiert. Die Kritik ist freilich nicht verstummt.

 

Was darf der Chef wissen?

Das umstrittene Gesetz stellt klar, welche Daten bei Bewerbungen, in Vorstellungsgesprächen oder im Vorfeld einer Anstellung ermittelt werden dürfen. Für Fragen nach der ethnischen Herkunft eines Bewerbers, seiner Religionszugehörigkeit, sexuellen Identität, seinen Vermögensverhältnissen, eventuellen Vorstrafen oder laufenden Ermittlungsverfahren gibt es strikte Auflagen. Arbeitgebern ist es künftig untersagt, etwa bei Facebook private Informationen über neue Mitarbeiter auszukundschaften. Ärzte haben gegenüber Unternehmen nur eine beschränkte Auskunftspflicht. Medizinische Eignungstest sind nur dann gestattet, wenn der Gesundheitszustand der Beschäftigten für die jeweilige Tätigkeit von Belang ist.

Welche Kontrollen sind erlaubt?

Das Gesetz schreibt fest, welche Personaldaten in Unternehmen gespeichert und wie diese genutzt werden dürfen. Eine Art betriebsinterne Rasterfahndung in den Datenbeständen der Personalabteilung ist nur gestattet, wenn damit Straftaten zum Schaden des Unternehmens aufgeklärt werden sollen. Dabei geht es etwa um Untreue, Bestechung oder andere Korruptionsdelikte. Allerdings genügen vage Vermutungen nicht als Voraussetzung für solche heiklen Recherchen. Es muss ein konkreter Tatverdacht vorliegen. Die Personaldaten dürfen zunächst auch nur in anonymisierter Form durchforstet werden. Beschäftigte, die einer Straftat oder eines schwerwiegenden Verstoßes gegen ihre Arbeitspflichten verdächtigt werden, können von ihrem Unternehmen überwacht werden – allerdings maximal 24 Stunden nonstop oder an höchstens vier Tagen. Wanzen, Richtmikrofone oder Videokameras dürfen dabei nicht eingesetzt werden. Speditionen und Transportunternehmen dürfen ihr Fahrpersonal mit Navigationssystemen überwachen. Die Mitarbeiter müssen aber darüber vorab informiert werden. Eine derartige Überwachung firmeneigener Fahrzeuge ist zudem nur während der Arbeits- und Bereitschaftszeiten gestattet, nicht im Urlaub oder in der Freizeit. Wer einen Dienstwagen auch privat nutzen darf, ist dabei gegen eine Ortung geschützt. Wenn Telefonanlagen und das Internet vom Personal nur dienstlich genutzt werden dürfen, kann der Chef das kontrollieren. In Callcentern ist es erlaubt, die Telefone der Mitarbeiter ohne deren Wissen abzuhören und Gespräche aufzuzeichnen. In allen diesen Fällen ist jeweils zu prüfen, ob Kontrollen aus betrieblichen Gründen unbedingt erforderlich und ob sie verhältnismäßig sind oder ob es nicht ein milderes Mittel der Überwachung geben würde.

Wo ist Videoüberwachung möglich?

Künftig ist es Unternehmen grundsätzlich untersagt, ihr Personal heimlich zu filmen. Firmen dürfen ihr Betriebsgelände allerdings mit Kameras überwachen, sofern dies der Sicherheit, dem Schutz des Firmeneigentums, der Qualitätskontrolle oder der Abwehr von Gefahren dient. Sanitär-, Umkleide- und Ruheräume oder Raucherzimmer sind Tabuzonen für die Neugier des Chefs. Ständige Videokontrollen sind zudem nur in Bereichen zulässig, die nicht öffentlich zugänglich sind.

Das neue Datenschutzgesetz bürdet Unternehmen 18 verschiedene Informationspflichten auf. Dabei geht es um Fälle, die millionenfach auftreten, etwa bei der Auswertung elektronischer Ortungssysteme im Transportgewerbe oder bei der Überwachung der dienstlichen Telekommunikation. Aus den Auflagen resultieren Mehrkosten für die Wirtschaft in zweistelliger Millionenhöhe.