Jürgen Scheible verwandelt mit Handy, Laptop und Beamer graue Wände in bunte Werke.

Uhlbach - Sein Pinsel ist das Handy, die Leinwand an diesem Abend im Februar der Gewölbekeller der Uhlbacher Kelter. Die Farbe zaubert ein Beamer. Das alles zusammen heißt Handy-Paint-Art. So nennt Jürgen Scheible seine ganz besondere und neue Art, Kunst zu machen.

 

Scheible, Jahrgang 1970, ist Professor an der Hochschule für Medien und hat die Technik für diese digitale Kunst selbst entwickelt. Was man alles damit machen kann und was Scheible damit schon gemacht hat, ist derzeit in der Uhlbacher Kelter zu sehen. Dort hängt noch bis zum 2. März eine Fotodokumentation von Scheibles Kunstaktionen auf der ganzen Welt. „Das ist zu meinem Lifestyle geworden“, sagt der Professor. Selbst die berühmten Houses of Parliament samt Big Ben in London hat der Mann in digitale Farbe getunkt. Auch Hafencontainer, Autos oder Füße sind vor seiner virtuellen Spraydose nicht sicher. Und nun die Uhlbacher Kelter. Natürlich muss es dunkel sein, wenn Scheible mit seinen Geräten anrückt – nicht nur in den Weltstädten, sondern auch im beschaulichen Weinort. Gespannt betreten die zahlreichen Gäste der Vernissage den hinteren Gewölbekeller und suchen sich im Dusteren ihre Plätze.

Die moderne Musik zwischen Lounge und Elektro stimmt die Menschen auf die Kunstperformance ein. In Glitzerjacke und mit einer überdimensionierten Schildmütze steigt Scheible auf sein Podest und legt los. Die ersten bunten Streifen erscheinen am Ende des Gewölbes.

„Wir können unsere Realität bunt machen“

Lila, orange, blau, rot: immer heller wird es im neu renovierten Gewölbekeller, der für diese Vernissage zum ersten Mal nach zwei Jahren wieder für das Publikum geöffnet ist. Langsam bekommt das Gewölbe einen Längsstreifen nach dem anderen. Dann gibt es Punkte. Die Blicke schweifen über das entstehende Gemälde an der Decke. Es wird klar: Das ist etwas Anderes, etwas Neues. Scheible unterbricht seine Performance. „Was ich aufzeigen möchte: Wir können unsere Realität bunt machen“, sagt er in sein Mikrofon. Wie es funktioniert? Sein Handy hat einen Sensor, der seine Handbewegungen in Echtzeit überträgt. Mit einem Fingertipp ändert er die Farbe oder Funktion seines digitalen Pinsels. Dann lässt er wieder die Musik laufen und verändert sein Werk: Es bekommt weiße Sprenkel – und dann auch noch den Schriftzug „Collegium Wirtemberg“. Seine Kunst soll Inspiration sein, erklärt Scheible, man solle den Moment genießen – denn darum geht es dem Künstler. Man kann aber auch nur den Moment genießen, denn im Vergleich zu realen Sprayern ist Scheibles Kunst nur temporär. Schaltet er seine Geräte aus, ist der bunte Spuk vorbei. Einfach weg. Vielleicht nur festgehalten durch eine Fotografie.