Der Uhu war im 20. Jahrhundert fast ausgerottet, jetzt wird er in Deutschland wieder heimisch. Doch dem großen Vogel geht die Beute aus: In manchen Jahren gibt es einfach nicht genug Mäuse zu fangen.

Stuttgart - Huuhuu“ – bei diesem dumpfen, ein wenig unheimlichen Ruf aus dem Dunkel der Nacht läuft vielen Menschen ein Schauer über den Rücken. Vogelkenner aber sind begeistert, weil sie gerade die größte Eule der Erde hören. Denn dieser Uhu Bubo bubo mit seiner Spannweite bis zu 180 Zentimetern war in Mitteleuropa in den 1960er Jahren fast ausgerottet. Heute aber ist der „König der Nacht“ in einige Regionen zurückgekehrt, in anderen kommt er gerade wieder an. „2300 Brutpaare zählen Vogelschützer zurzeit allein in Deutschland“, berichtet Markus Nipkow, der Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte in Niedersachsen.

 

Rund ein Fünftel dieses Bestandes lebt in Bayern, wo Christiane Geidel vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) das Leben der Uhus in ihrer Doktorarbeit unter die Lupe nimmt. „Der Bruterfolg des Uhus in der Altmühltal-Region ist nämlich schlecht“, erklärt die Wissenschaftlerin den Auslöser ihrer Studie. So leben dort zwar rund 80 der insgesamt 420 bis 500 bayerischen Uhupaare. Aber selbst in guten Jahren zieht nur die Hälfte davon Nachwuchs auf, in schlechten Jahren sind es gerade einmal zehn Paare. Auf Dauer ist das zu wenig, im Altmühltal stockt die Rückkehr der Uhus. In den letzten fünf Jahren hat Christiane Geidel daher das Leben der großen Eulen untersucht und dabei einiges erfahren, das auch andernorts den Uhus zu schaffen machen könnte.

So scheint es vor allem bei der Ernährung zu hapern. Mehr als 8000 Beutetiere des Uhus hat Christiane Geidel zwischen 2007 und 2012 untersucht. Im Winter waren das fast immer Mäuse, aber auch der eine oder andere Eichelhäher. Wenn andere Nahrung knapp ist, wagt ein Uhu schon einmal einen Angriff auf besonders gefährliche Gegner wie einen Fuchs. Ganz selten finden sich im Frühling und Sommer auch Reste von Wildschwein-Frischlingen oder Rehkitzen in den Nahrungsresten der Eulen. „Vermutlich waren die meisten solcher großen Opfer aber schon tot, als der Uhu sie gefunden hat“, argwöhnt Geidel.

Lange wurde Jagd auf den Uhu gemacht

Trotzdem wurde seine Speisekarte dem Uhu einst zum Verhängnis. Weil Jäger ihn im Mittelalter für einen eifrigen Niederwild-Vertilger vom Hasen bis zum Rehkitz hielten, neideten sie dem Konkurrenten seine Beute. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dezimierten sie den Uhu. „1913 wurde die letzte Uhu-Brut in Brandenburg nachgewiesen“, erzählt Torsten Ryslavy von der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg. Markus Nipkow ergänzt: „1937 wurde in Niedersachsen das letzte Uhu-Weibchen geschossen.“ Insgesamt gab es in den 1960er Jahren in ganz Deutschland gerade noch um die vierzig Uhupaare im Alpenraum, im Norden Bayerns, in Thüringen und in Sachsen. In Österreich und in der Schweiz sah es nicht besser aus.

Dann griffen Vogelschützer der Eule unter die Flügel. In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg züchteten sie Uhus in Gefangenschaft und wilderten die Tiere aus. Da die große Eule nach einer Untersuchung der Universität Bern in jungen Jahren zwar 200 Kilometer weit wandert, aber doch am liebsten in der Nähe ihres Geburtsortes ein eigenes Revier sucht, breiten sich die Vögel von diesen Gebieten nur sehr langsam aus. „So gibt es in Brandenburg bis heute vermutlich nur zehn bis zwanzig Brutpaare“, berichtet Torsten Ryslavy. Doch allein in Brandenburg könnten theoretisch mehrere Hundert Uhu-Paare ihr Revier haben.

Weshalb die Eule trotzdem in anderen Gebieten wie im Altmühltal nicht vom Fleck kommt, kristallisiert sich jetzt durch die Studie von Christiane Geidel heraus. Da sich die Weibchen im Winter vor allem Mäuse greifen und sich so Fettvorräte anfressen, mit deren Hilfe sie später Eier produzieren und diese meist im März 34 Tage lang ausbrüten, hängt die Vermehrung sehr stark von diesen Nagetieren ab. Ist der Winter mild und finden die Tiere viele Samen und Getreide, vermehren sie sich explosionsartig. Über eine Wiese von der Größe eines Fußballplatzes können dann knapp 2000 Feldmäuse huschen. Der Uhu muss nur noch zugreifen. In solchen Wintern sind die Weibchen im Altmühltal gut genährt, und etwa jede zweite Uhu-Familie füttert Nachwuchs. In schlechten Mäusejahren beobachtet Christiane Geidel dagegen nur bei zehn oder 15 Prozent der Uhu-Paare Küken.

Wie man einen Igel frisst, ohne sich zu verletzen

Der Nachwuchs aber liegt den Eltern noch einige Zeit auf der Tasche; 56 Tage dauert es, bis ein Uhu nach dem Schlüpfen fliegen lernt. Danach wird der Nachwuchs ausgebildet, schaut sich von seinen Eltern die Jagdmethoden ab und lernt zum Beispiel, wie man Igel frisst. „Das ist manchmal gar nicht so einfach“, erklärt Christiane Geidel. Igel verlassen sich auf ihre stachelige Abwehr und schmatzen bei ihren nächtlichen Mahlzeiten aus Larven und Würmern recht laut. Die Geräusche locken Uhus an, die erst einmal neben den Stacheltieren landen. Der Igel rollt sich zu einem stacheligen Ball zusammen, den kaum ein Feind knacken kann. Der Uhu aber schlägt seine harten Krallen, die immerhin die Größe eines menschlichen Handtellers umspannen, um das Stachel-Bollwerk herum und zerquetscht den Igel.

Wie aber verzehrt man ein solches Tier, ohne sich an den Stacheln zu verletzen und sich dabei gefährliche Infektionen zu holen? Uhus schälen die Tiere vom Bauch her aus und lassen nur die Schwarte mit den Stacheln liegen. Diese Methode üben die Jungen an den zu Tode gequetschten Igeln, die ihre Eltern ihnen bringen.

Igel aber schmatzen nur auf Wiesen und Feldern, auf denen die Vegetation nicht zu hoch steht. Genau darauf ist auch der Uhu angewiesen: „Wächst die Vegetation höher als 60 Zentimeter, erwischt er kaum noch Beute“, sagt Christiane Geidel. Davon aber brauchen Uhu-Eltern mindestens bis Ende August reichlich, weil bis dahin die Jung-Uhus versorgt werden. „Manchmal vertreiben besonders geduldige Eltern ihren Nachwuchs sogar erst im Oktober“, erklärt Geidel. Wie aber sollen die Alten genug Beute schlagen, wenn die moderne Landwirtschaft immer mehr Raps und Mais anbaut und die Pflanzen oft schon im Mai höher als 60 Zentimeter stehen?

Die Rückkehr der größten Eule der Welt stößt im 21. Jahrhundert rasch an Grenzen. Ob das unheimliche „Huuhuu“ in Zukunft häufiger als heute aus der Nacht schallt, ist also recht zweifelhaft.

Gefahren für den Uhu

Feldränder
Um teure landwirtschaftliche Maschinen besser und effizienter einsetzen zu können, werden schon seit Jahrzehnten Felder zusammengelegt und die Hecken am Feldrand gerodet. In diesen Randzonen aber wimmelt es vor Leben, Igel finden reichlich zu fressen, und der Uhu hat weniger Probleme, genug Beute für den Nachwuchs beizubringen.

Gülle
Ein weiteres Problem ist die Mischung von Kot und Urin der Nutztiere in der Landwirtschaft. Zieht der Winter sich in die Länge, füllen sich die Tanks der Bauern. Sobald das Wetter es zulässt, werden die Wiesen mit der stinkenden Brühe gedüngt. Oft genug ertrinken dann die Mäuse massenweise in ihren Gängen oder sterben an Unterkühlung – und die Uhus hungern.

Gräben
Knurrende Eulenmägen gibt es auch, wenn die Gräben zum Entwässern der Felder oder am Rande der Wege und Straßen nicht mehr gemäht, sondern abgefräst werden, um sie offenzuhalten. „Damit aber wird eines der letzten reichhaltigen Ökosysteme in unserer Agrarlandschaft platt gemacht“, erklärt Christiane Geidel vom Landesbund für Vogelschutz.