Der ukrainische Präsident Viktor Janukowtisch spielt beim Kräftemessen mit der Opposition auf Zeit. Nun will er sogar einige Männer frei lassen, die gegen ihn demonstriert haben – aber nur jene, bei denen zu Hause kleine Kinder warten.

Kiew - Geschlagene dreieinhalb Stunden sprachen sie miteinander, doch über die Ergebnisse hüllten sie sich in Schweigen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton traf am Dienstagabend den durch die Massenproteste angeschlagenen starken Mann der Ukraine, Viktor Janukowitsch. Dieser sagte danach, die Ukraine wolle bald neue Bedingungen für eine Zusage zur Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens ausarbeiten. Ashton wies aber offenbar darauf hin, dass der bereits 2011 paraphierte Vertrag nicht mehr neu verhandelt werden könne. Ohne Kommentar gegenüber den wartenden Journalisten eilte sie nach dem Treffen zum Kiewer Unabhängigkeitsplatz, wo sie Tausende von EU-Befürwortern erwarteten. „Europa! Europa!“, schrie die Menge, als sich Ashton an der Seite von Arsenij Jatsenijuk, dem höchsten noch nicht eingesperrten Vertreter von Julia Timoschenko, auf dem Majdan zeigte.

 

Den ganzen Tag über hatte Janukowitsch weitergepokert. Während am Mittag weitere Sondereinheiten zu den bereits rund 6000 Sicherheitskräften nach Kiew verlegt wurden, berief der Präsident einen „Runden Tisch“ für heute ein. „Alle interessierten Kräfte“ könnten daran teilnehmen, sagte Ex-Staatspräsident Leonid Krawtschuk, der als Initiator gilt. Als Geste der Versöhnung kündigte Janukowitsch die Freilassung eines Teils der Verhafteten bei. „Wie viele es sein werden, weiß ich nicht, aber bestimmt kommen jene frei, die kleine Kinder zuhause haben“, erklärte der Präsident großmütig im Staatsfernsehen.

Jugendlichendemo wird gewalttätig niedergeschlagen

Zuvor hatte er sich kurz mit seinen drei Amtsvorgängern Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko getroffen. Diese hatten sich vorige Woche öffentlich mit den Protestierenden solidarisiert. Ein Plan Krawtschuks, der die Ukraine 1991 in die Unabhängigkeit geführt hatte, sieht laut ukrainischen Medien die Einsetzung eines Expertenkabinetts vor. Der unabhängigen Netzzeitung „Ukrainskaja Prawda“ zufolge versuchte Janukowitsch die drei davon zu überzeugen, dass die Ukraine den Westkurs beibehält, aber nicht auf Russland verzichten kann.

Die Opposition erklärte, sie sei zu dem Treffen mit den Ex-Präsidenten nicht eingeladen worden. Die Führer der drei Oppositonsparteien Batkiwtschina (Vaterland), Udar (Schlag) und Swoboda (Freiheit) betonten, sie würden sich erst mit Janukowitsch an einen Tisch setzen, wenn ihre Bedingungen erfüllt seien. Dazu zählt neben dem Rücktritt der Regierung die Freilassung der nach nächtlichen Straßenschlachten beim Präsidentenpalast verhafteten Demonstranten sowie die Bestrafung der Verantwortlichen für den Angriff auf den Majdan. Am 1. Dezember waren über 50 friedlich demonstrierende Jugendliche von den gefürchteten „Berkut“-Sondereinheiten krankenhausreif geschlagen worden. Außerdem wolle man Vertreter der EU und der Nichtregierungsorganisationen an dem Runden Tisch sehen, hieß es.