Das IOC ermöglicht Athleten aus Russland und Belarus die Rückkehr – und spaltet damit die Sportwelt, kommentiert Jochen Klingovsky.
Es gibt viele Beispiele für autokratische Systeme, die den Sport als Mittel zur Propaganda nutzen. Im März 2022 ließ sich Wladimir Putin im Moskauer Luschniki-Stadion für den Angriffskrieg in der Ukraine bejubeln – auch von namhaften Sportlern. So präsentierten sich Schwimmer Jewgeny Rylow (Doppel-Olympiasieger 2021) und Sportgymnastin Dina Averina (18 x WM-Gold) in Jacken, auf denen der Buchstabe „Z“ prangte – das Symbol für den Vernichtungsfeldzug.
Es könnte bald auch um diese Athleten gehen, wenn die Leitlinien des Internationalen Olympischen Komitees auf ihre Durchlässigkeit überprüft werden. Das IOC hat entschieden, gesperrten russischen und belarussischen Sportlern die Rückkehr auf die Wettkampfbühne zu ermöglichen. Nicht ausgeschlossen, dass viele von ihnen bei den Sommerspielen 2024 in Paris eine Hauptrolle einnehmen werden. Ohne dass das IOC, zumindest offiziell, dabei die Regie führt.
Denn dessen Präsident Thomas Bach, ein Meister der sportpolitischen Finte, schiebt wie 2016 in Rio die Verantwortung an seine Weltverbände weiter. Damals ging es um das staatlich gesteuerte Dopingsystem und die Frage, welche russischen Sportler starten dürfen. Nun stehen die Weltverbände erneut in der Pflicht. Sie müssen entscheiden, ob sie Russen und Belarussen als „neutrale Athleten“ zulassen – ohne Flagge, ohne Hymne, ohne nationale Symbole. Zudem sollen Sportler, die den Krieg aktiv unterstützt oder Verbindung zum Militär haben, sowie Mannschaften laut IOC-Vorgabe gesperrt bleiben.
Sieht nach einer gerechten Lösung aus? Höchstens auf den ersten Blick. Weil Bach genau weiß, dass eine Gesinnungsprüfung von Athleten nicht möglich ist. Weil er weiß, dass Putin jeden Sieg propagandistisch ausschlachten wird. Und weil er weiß, dass die Ukraine Sportveranstaltungen, an denen Russen und Belarussen teilnehmen, boykottieren muss. Das IOC erklärt, mit der Aufhebung des Banns zu vereinen – und spaltet die Sportwelt doch neu. Nur an anderer Stelle.
