Die Klitschko-Brüder wenden sich mit einem bewegenden Appell an den Westen, die Spitzenverbände tun sich mit konsequenten Sanktionen weiter schwer: Der Ukraine-Krieg bleibt auch in der Sportwelt das beherrschende Thema.

Hamburg - Mit versteinerter Miene schauten Witali und Wladimir Klitschko in die Kamera, der bewegende Appell der beiden früheren Boxweltmeister geht durch Mark und Bein. „Dieser sinnlose Krieg wird keinen einzigen Sieger hervorbringen, aber Verlierer“, sagt Wladimir Klitschko in einer 43-sekündigen Videobotschaft und fordert den Westen im Zuge des russischen Großangriffs zum Handeln auf: „Lasst es nicht in der Ukraine passieren, nicht in Europa oder vielleicht der Welt. Zusammen sind wir stark.“

 

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Nach der Verlegung des Champions-League-Endspiels von St. Petersburg nach Paris wollen am Wochenende auch deutsche Verbände und Klubs Zeichen des Protests und für den Frieden setzen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) empfahl den Vereinen der 1. und 2. Bundesliga für alle Spiele eine Schweigeminute. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) legte seinen sportartübergreifend 90.000 Vereinen im Rahmen ihrer Wettkämpfe 60 Sekunden des stillen Gedenkens nahe.

Spitzenverbände tun sich schwer mit konsequenten Sanktionen

Während die Spitzenverbände im Fußball sich aber mit konsequenten Sanktionen gegen Russland weiter schwertun, lassen die Klitschko-Brüder an ihrer Entschlossenheit keinen Zweifel. Witali Klitschko, seit acht Jahren Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, ist zu allem bereit. Im Krieg um seine ukrainische Heimat würde er auch selbst zu den Waffen greifen. „Ich habe keine andere Wahl. Ich muss das tun“, sagte der einstige Schwergewichtschampion bei Good Morning Britain im englischen Frühstücksfernsehen.

Größter gemeinsamer Nenner in der Sportwelt ist derzeit die Absage von Veranstaltungen auf russischem Boden - wie die erwartete Verlegung des Königsklassen-Finals aus Wladimir Putins Geburtsstadt. Zudem cancelte die Formel 1 am Freitag das für den 25. September geplante Rennen in Sotschi. Der Internationale Ski-Verband FIS sagte alle in dieser Saison noch geplanten Weltcups in Russland ab. Das IOC forderte alle internationalen Sportverbände auf, mit ihren in Russland und Belarus geplanten Wettkämpfen ebenso zu verfahren.

RB Leipzig bekommt Spartak Moskau zugelost

Spannend wird sein, wie sich RB Leipzig positioniert. Das Team von Trainer Domenico Tedesco bekam in der Europa League am Freitag Spartak Moskau zugelost - ein Boykott des Spiels wäre in der momentanen Gemengelage wohl das stärkste sendbare Signal. Ein Beispiel dafür lieferten die Basketballer von Bayern München, die am Donnerstagabend nicht zum Europacup-Spiel gegen ZSKA Moskau antreten wollten - obwohl sich beide Teams in der Münchner Halle bereits aufwärmten.

Auf ein konsequentes Handeln im Sinne für Russland schmerzhafte Einschnitte seitens der großen Sportorganisationen wartete man dagegen vergebens. Auf der mit Spannung erwarteten UEFA-Sitzung am Freitagvormittag mochte man sich weder zu einem Rauswurf der russischen Mannschaften aus den Europacup-Wettbewerben noch zu einer Abfuhr für Hauptsponsor Gazprom durchringen.

DFB zeigt Verständnis für Aufschub der UEFA-Entscheidung

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der 2024 bekanntlich die Europameisterschaft ausrichtet, zeigte Verständnis für den Aufschub der UEFA-Entscheidung bezüglich des umstrittenen Sponsoringvertrags mit dem russischen Energieriesen. „Die UEFA-Exekutive arbeitet äußerst intensiv und Schritt für Schritt alle sich ergebenden Fragestellungen ab“, teilte der DFB auf SID-Anfrage mit: „Aktuell stehen insbesondere humanitäre Fragen, wie die Solidarität mit den Menschen, insbesondere aus der Fußballfamilie im Kriegsgebiet, und mögliche Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Menschen im Vordergrund.“

Mit ihrer inkonsequenten Vorgehensweise steht die UEFA beileibe nicht alleine da. So beließ es der Fußball-Weltverband FIFA nach einer Council-Sitzung bei einer Zustandsbeschreibung für die Situation in der Ukraine - die Lage sei „tragisch“ und „besorgniserregend“ - auf sportpolitische Konsequenzen verzichteten die Bosse um FIFA-Präsident Gianni Infantino aber.

FIFA will die Situation weiter beobachten

Man spielt stattdessen auf Zeit. Mit Blick auf die bald anstehenden WM-Play-offs in Russland wolle die FIFA „die Situation weiter beobachten. Wir werden eine Entscheidung treffen, sobald dies notwendig ist.“ Kurz vorher hatten die Nationalverbände aus Polen, Schweden und Tschechien verlangt, in den WM-Ausscheidungsspielen nicht IN Russland antreten zu müssen, statt umgehend zu betonten, nicht GEGEN Russland spielen zu wollen.

Wladimir Klitschko betonte in einem NTV-Interview unterdessen, dass es „ohne Unterstützung und einen gewissen Druck auf Russland“ nicht geht. Man müsse gemeinsam agieren, um den Krieg zu stoppen, so der jüngere der beiden Brüder: „Dieser Krieg ist in der Ukraine. Dieser Krieg wird auch weitergehen in das weitere Europa, wenn man ihn nicht aufhält. Ich möchte nicht ausschließen in die Welt.“