Nach Begleichung eines Teils der Schulden für frühere Gaslieferungen setzt Russland der Ukraine eine neue Frist bis zum 9. Juni. Dass bis dahin ein Kompromiss im erbittert geführten Gasstreit gelingt, glauben aber nicht einmal Optimisten.

Moskau - Im monatelangen Streit zwischen Russland und der Ukraine um Gaslieferungen ist ein Kompromiss in Sicht. Sowohl ein Tilgungsplan für die offenen Rechnungen als auch ein Vorschlag für den Preis künftiger Lieferungen liegt auf dem Tisch. Das sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger am Montag nach einem mehrstündigen Treffen mit den Energieministern beider Länder in Brüssel.

 

Die Vorstandsvorsitzenden des russischen Energieversorgers Gazprom und des ukrainischen Versorgers Naftogas, die ebenfalls in Brüssel waren, haben sich nach Oettingers Worten in Vieraugengesprächen auf einen „gemeinsamen Vorschlag für eine Paketlösung“ geeinigt. Sie wollten den Plan „in wenigen Tagen“ ihren Regierungen vorlegen. Eine endgültige Einigung solle dann in Dreiergesprächen spätestens Ende nächster Woche erzielt werden.

Oettinger sprach von „echtem Fortschritt“. Russland werde nicht - wie zuletzt angedroht - von diesem Dienstag an den Gashahn zudrehen und auch keine Vorkasse für Lieferungen im Juni fordern. Es sei vereinbart, dass bis zur Vorlage der Pläne „für die Ukraine und die Europäische Union eine stabile Gasversorgung stattfinden wird“, sagte Oettinger. Umstritten sei die Zahlung der noch offenen Rechnungen für November und Dezember 2013 sowie April und Mai dieses Jahres. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU.

Am Morgen hatte das russische Energieministerium bestätigt, dass die Ukraine 786,366 Millionen US-Dollar (etwa 576,88 Millionen Euro) überwiesen und damit einen Teil ihrer Schulden beglichen hat.

Laut Gazprom steht die Ukraine allein für den Zeitraum November 2013 bis März 2014 mit 3,5 Milliarden US-Dollar (2,5 Milliarden Euro) in der Kreide. Dabei legt der Konzern ein 2009 ausgehandeltes Abkommen zugrunde, wonach für tausend Kubikmeter 485 US-Dollar fällig werden – theoretisch. Praktisch drückten Rabatte, wie sie zunächst die damalige Regierungschefin Julia Timoschenko und im Jahr 2010 Präsident Viktor Janukowitsch – als Gegenleistung für die Verlängerung des Abkommens zur Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim – aushandelten, den Preis auf zunächst 385 und dann auf 268 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter. Doch Ende März kündigte die Duma das Flottenabkommen, das durch den Russlandbeitritt der Krim gegenstandslos wurde.

Kiew will das Internationale Schiedsgericht einschalten

Seit April fordert daher auch Gazprom den vollen Preis. Kiew indes will nur den ermäßigten Tarif zahlen und auch nur dann, wenn Gazprom sich zuvor bereit erklärt, über neue Preisnachlässe zu verhandeln. Wenn nicht, so sagte der Energieminister Juri Prodan, werde man Moskau vor dem Internationalen Schiedsgericht in Stockholm verklagen.   Gazprom-Chef Alexej Miller erwiderte, Vertrag sei Vertrag, und Prodan habe den Kontrakt von 2009 selbst mitverhandelt. Auf Klage werde Russland dennoch vorerst verzichten. Wenn Kiew seine Schulden bezahlt habe, könne man sogar über neue Rabatte reden. Spielraum gäbe es jedoch nur bei den Exportzöllen.

Der Gasstreit belastet das seit der Annexion der Krim durch Russland ohnehin schwer angespannte Verhältnis beider Länder zusätzlich. Am Sonntagabend donnerte der Chefpropagandist des Kreml, Dmitri Kisseljow, im russischen Staatsfernsehen, die Führung in Kiew lasse sich die Strafexpedition gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine täglich drei Millionen US-Dollar (2,2 Millionen Euro) kosten. Dies sei in etwa so viel, wie die Ukraine täglich für russische Gaslieferungen zu berappen habe. Da Kiew am Rande des Staatsbankrotts balanciere, komme das Geld aus dem Westen: Die USA und Europa sponserten Völkermord, statt ihr Mündel dazu anzuhalten, die Schulden für russische Gaslieferungen zu bezahlen.    

Russland will derweil einen Resolutionsentwurf zur Ukraine-Krise in den UN-Sicherheitsrat einbringen. Wie Außenminister Sergej Lawrow in Moskau sagte, verlangt Russland die Einrichtung eines „Hilfskorridors“, damit „friedliche Bürger“ die umkämpften Gebiete in der Ostukraine verlassen können. Zudem müsse die Lieferung von Hilfsgütern ermöglicht werden. Die Resolution verlangt, dass Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz „jede Unterstützung“ erhalten. Das höchste UN-Gremium sollte den Entwurf noch am Montag erhalten.