Statt öffentliche Gebäude im Osten der Ukraine zu räumen, breiten sich die Bewaffneten aus. Was westliche Beobachter lange nicht wahrhaben wollten, wird klarer: hier sind offenbar Putins Militärkräfte am Werk.
Donezk - Das Ultimatum der Übergangsregierung ist folgenlos verstrichen: Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow hatte den Besetzern, die seit Tagen öffentliche Gebäude in der Region Donezk okkupieren, Straffreiheit zugesichert, wenn alle Gebäude bis Montagmorgen geräumt würden. Doch anstelle einer Räumung wurden weitere Gebäude in der Ostukraine besetzt. In Horliwka, einer Stadt mit 290 000 Einwohnern in Zentraldonezk, stürmten Bewaffnete das Polizeihauptgebäude. Nun sind allein in der Region Donezk in neun Städten Polizeidienststellen, Büros des Geheimdienstes, Stadtverwaltungen und Gerichte in der Hand der so genannten Separatisten. Unruhen wurden am Montag auch aus Lugansk gemeldet. In der Millionenstadt Charkiw, wo am Sonntag bei einer pro-ukrainischen Kundgebung 50 Menschen teilweise schwer verletzt worden waren, blieb es dagegen ruhig.
Was viele westliche Beobachter lange nicht wahrhaben wollten, wird jetzt immer deutlicher: In der Ostukraine sind offenbar russische Militärkräfte am Werk. Wie vor einem Monat auf der Halbinsel Krim, übernehmen Bewaffnete nun auch in der Ostukraine immer mehr Gebäude, breiten sich in der gesamten Region aus. Die ukrainische Regierung hat mit dem Einsatz einer „Anti-Terror-Einheit“ oder gar dem Militär auch deshalb so lange gezögert, weil man in Kiew weiß, dass die kriegerische Auseinandersetzung mit Moskau ein Spiel mit dem Feuer ist.
Eindringliche Warnung vor Gewalt gegen Separatisten
So warnte auch Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin am Montag nach einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates die Führung in Kiew und deren Gönner im Westen eindringlich vor Gewalt gegen die prorussischen Aktivisten. Reportagen des russischen Staatsfernsehens aus dem Krisengebiet vermittelten den Eindruck, dass es sich bei den Aktivisten nicht um Russlands „fünfte Kolonne“ handelt, sondern um Menschen, die in ihrer Verzweiflung zum Äußersten entschlossen sind. Schon Turtschinows Entscheidung, Truppen ins Krisengebiet zu verlegen und mit einer Anti-Terror-Operation zu drohen, nannte Russlands Außenminister Sergei Lawrow „äußerst gefährlich“. Gewalt, so auch Tschurkin, werde die für Donnerstag geplanten Vierer-Verhandlungen zur Beilegung der Krise „in radikaler Weise untergraben“.