Die EU fordert Serbien auf, sich an den Sanktionen gegen Russland zu beteiligen. Belgrad lehnt das ab. Die Verbindungen zwischen dem EU-Beitrittskandidaten und Russland sind seit Jahrzehnten eng.

Belgrad - Mit Unmut hat Russland auf Forderungen der EU reagiert, Serbien möge sich den Sanktionen wegen Moskaus Ukraine-Politik anschließen. Serbien sei dazu „rechtlich verpflichtet“, hatte der EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn der Belgrader Zeitung „Novosti“ gesagt. Moskau indes hofft, dass Serbien dem Druck standhalten werde und Versuche, die Beziehungen beider Staaten zu zerrütten, scheitern, sagte der Vizevorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im russischen Senat, Leonid Tjagatschow.

 

Zwar versuchte der Kreml zunächst, den serbischen EU-Beitritt zu verhindern, hat sich inzwischen aber eine andere Strategie verordnet. Zusammen mit Bulgarien könnte Belgrad in Brüssel gegen Russland gerichtete Beschlüsse verhindern, lautet nun der Plan. Das Kalkül scheint aufzugehen. Serbiens Regierungschef Aleksander Vucic erklärte unmittelbar vor dem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin Mitte Oktober, Belgrad werde „nie Sanktionen gegen Russland“ verhängen. Und der serbische Präsident Tomislav Nikolić erklärte im russischen Staatsfernsehen, man sei sogar bereit, einen verzögerten EU-Beitritt in Kauf zu nehmen.

Patriarch Kyrill umgarnt die Serben

Das Rad der Zeit scheint beim EU-Anwärter zurückgedreht. In Belgrad  paradieren wieder die Anhänger des Ultranationalisten Vojislav Seselj mit Konterfeis von Putin. Am Wochenende weihte der Moskauer Patriarch Kyrill I. in Serbiens Hauptstadt gar ein Denkmal zu Ehren für den russischen Zar Nikolaus II. ein. Der Glaube, die Geschichte und die Kultur verbinde die beiden Nationen, sagte der Kirchenfürst. In Serbien fühle sich „jeder Russe zu Hause“.  

Jenseits der russischen Landesgrenzen wird Putin wegen seiner Rolle in der Ukrainerise fast in ganz Europa als Kriegstreiber gegeißelt. Doch zumindest beim EU-Anwärter kann sich der Kremlchef ungebrochener Popularität sicher sein. In mehr als ein Dutzend Kommunen wurde er bereits zum Ehrenbürger erklärt. Für den hohen Gast aus Moskau organisierte Belgrad bei dessen Visite im Oktober selbst eine Militärparade.   Zu den Pseudowahlen der prorussischen Separatisten in Donezk und Lugansk reisten Abgeordnete von Serbiens regierender SNS als Beobachter an.

Die Distanz zur Nato bleibt bestehen

Serbisch-russische Militärmanöver und der Ausbau des bilateralen Zentrums für den Katastrophenschutz in Nis, hinter dem Kritiker eine verkappte Militärbasis Moskaus wittern, lassen EU-Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel besorgt die versuchte Ausweitung der russischen Interessensphäre auf dem Westbalkan befürchten. Dabei pflegt Serbien schon seit Jahren bewusst sehr enge Bande zu Moskau: Am Drahtseilakt zwischen Ost und West hält Belgrad trotz der Ukrainekrise fest.   Auch mit dem Hinweis auf die Waffenbrüderschaft in den beiden Weltkriegen und Moskaus diplomatische Unterstützung im Streit um das längst verlorene Kosovo pflegt der EU-Anwärter gerne seine „besonderen Beziehungen“ zu Russland zu begründen. Zudem ist es erst 15 Jahre her, dass auf  Serbien im Kosovokrieg die Nato-Bomben prasselten. Auch die innere Distanz zur Nato lässt viele Serben in Russland einen natürlichen Verbündeten sehen.  

Umfragen vermitteln zwar den Eindruck, dass die Serben eher Russland als der EU zuneigen, aber wirtschaftlich spielt Russland für Serbien eine eher untergeordnete Rolle.   Serbiens starke Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen macht den Bruderstaat zwar zum größten Importeur, aber die Ausfuhren nach Russland machen nur 7,3 Prozent von Serbiens Export aus. Zudem hat Serbien mit die höchsten Preise für russisches Gas in der Region zu zahlen. Unerbittlich fordert Moskau unbeglichene Gasschulden auch vom Bruderstaat ein: Um Belgrad zum Abstottern der Schulden zu bewegen, drosselte die Gazprom Ende Oktober die Gaslieferungen um über ein Viertel.

  Hartnäckig lehnt es Belgrad dennoch ab, sich den EU-Sanktionen gegen Russland anzuschließen. Serbien sei „weder ein kleines Amerika noch ein kleines Russland“, sondern entscheide selbst über sein Schicksal, versichert der nationalpopulistische Premier Aleksander Vucic. Doch die Zeiten, dass Jugoslawien als führende Kraft der Blockfreien-Bewegung den „dritten Weg“ propagieren konnte, sind längst vorbei. Der Spagat zwischen Brüssel und Moskau hat seinen Preis – und wird von den EU-Partnern eher misstrauisch beäugt. Moskaus Aufforderung an Belgrad, die EU-Sanktionen zur Stärkung der eigenen Stellung auf dem russischen Markt zu nutzen, hat die EU-Zweifel nur verstärkt.