Kinderbetreuung, Deutschkurse, Arbeitsmöglichkeiten – wie kann man geflüchteten Ukrainern am besten helfen? Das wollten der AK Asyl und die evangelische Kirche in Leonberg wissen und haben sie eingeladen.

Es herrscht lebhaftes Treiben im Haus der Begegnung: Viele Geflüchtete aus der Ukraine, überwiegend Frauen und Kinder, sind der Einladung des Arbeitskreises Asyl und der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Leonberg zu einem Treffen gefolgt. Neben dem persönlichen Kennenlernen wollen die Organisatorinnen, Heidi Fritz vom AK Asyl und Pfarrerin Heidi Essig-Hinz, erfragen, welche Bedürfnisse die Menschenhaben. Dank mehrerer Dolmetscherinnen klappt die Verständigung.

 

200 Ukrainer sind privat untergebracht

216 Ukrainerinnen und Ukrainer leben derzeit in Leonberg, zehn von ihnen in Unterkünften der Stadt, die anderen bei privaten Vermietern, erklärt Jürgen Rein, der Leiter der sozialen Dienste der Stadt. Die Solidarität mit den Geflüchteten sei in Leonberg groß, es kämen immer noch Wohnungsangebote von privater Seite.

„Bis vor zwei Wochen wussten weder der Arbeitskreis Asyl noch wir als Stadt, wo Sie sind und was Sie machen“, sagte Jürgen Rein an die Adresse der ukrainischen Gäste. Er lud sie ein, sich jederzeit mit ihren Anliegen an die Stadtverwaltung zu wenden. Dies bekräftigte auch die Erste Bürgermeisterin Josefa Schmid (FDP). Auch die neue Flüchtlingsbeauftragte der Stadt, Sarah Köninger, war gekommen.

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Igor ist 16 Jahre alt. Der zurückhaltende Jugendliche besuchte in der Ukraine die 11. Klasse und stand kurz vor dem Abschluss. Jetzt muss er mangels Deutschkenntnissen viel weiter unten einsteigen. Er ist mit seiner Mutter Tetiana aus dem Südosten der Ukraine geflohen. Sein Vater ist Arzt und blieb dort an der Front. Mit ihm haben sie stets nur kurz Telefon-Kontakt, aus Sicherheitsgründen, wie Tetiana erzählt. Für Mutter und Sohn war die Flucht traumatisch. „Als wir in Lwiw Zwischenstation machten, schlugen Raketen ein“, berichtet Tetiana.

Kinderbetreuung und Wohnraum sind Thema

Igor habe viele schlaflose Nächte und Albträume gehabt. Erst jetzt habe er wieder angefangen zu essen. Der Jugendliche, der lieber in der Ukraine geblieben wäre, nimmt nun online am Unterricht in der Heimat teil. Von 22 Mitschülern seien acht im Ausland.

Das Thema Kinderbetreuung betrifft die beiden nicht mehr, viele andere Mütter im Raum aber schon. Die Frage nach Kindergarten-Plätzen ist eine der ersten, mit denen die Vertreter der Stadt konfrontiert werden. „Da muss ich leider enttäuschen“, sagt Jürgen Rein. „Alle unsere Kindertagesstätten sind voll.“ Es gebe bereits Wartelisten. Aber man biete Spielgruppen an, in denen Kinder zehn Stunden pro Woche betreut werden.

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Auch die Frage nach „sozialem Wohnraum“ kann für viele der überwiegend privat untergebrachten Ukrainer nicht befriedigend beantwortet werden. „Wir haben nur ganz wenige Sozialwohnungen, aber über 350 Fälle, die aktuell eine Wohnung suchen“, erklärt Rein. Trotzdem stehe in Leonberg niemand auf der Straße. „Wenn Sie irgendwo wohnen, wo Sie nicht bleiben können, melden Sie sich“, forderte er die Menschen auf. „Wir finden für Sie ein Dach über dem Kopf.“

Das Heimweh plagt viele Geflüchtete

Tetiana plagt vor allem, dass sie keine richtige Aufgabe hat. Die 45-Jährige möchte etwas tun. An erster Stelle steht bei ihr, wie bei vielen anderen, der Besuch eines Deutschkurses. Und dann möchte sie arbeiten.

Als sie hört, dass es wegen fehlender Erzieher und Lehrer eine realistische Chance gebe, Abschlüsse aus der Ukraine anerkennen zu lassen, blickte die Geschichtslehrerin auf. Aber sie habe zurzeit keine Möglichkeit, an ihr Diplom zu kommen. Sie habe ukrainische Geschichte studiert und könne damit in Deutschland wohl nichts anfangen, sagte sie. Generell dürfe jeder geflüchtete Ukrainer sofort arbeiten, so Rein.

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Tetiana und ihren Sohn Igor plagt außerdem das Heimweh, sie möchten so bald wie möglich zurück und das nicht nur, weil dort sogar die Tomaten und Gurken besser schmeckten als hier, wie sie lächelnd erzählen. „Wir hoffen, dass die Ukraine wieder aufersteht“, sagt Tetiana, „wir sind Optimisten, wir haben auch gar keine andere Wahl.“