Näher dran an herausragenden Persönlichkeiten der Kunstszene – unsere Gesprächsreihe „Über Kunst“ macht es möglich. Nun war Ulla von Brandenburg zu Gast.

Über ihre Arbeit sagt Ulla von Brandenburg: „Nichts ist fix, als Idee, sondern es beantwortet Fragen.“ Ein Satz, charakteristisch für eine Künstlerin, die den Wert ihrer Arbeit vor allem in der Veränderung, der Wandlung sieht – von Räumen, Szenen, Bildern.

 

Dreifache Präsenz in Stuttgart

Ulla von Brandenburg ist am Montagabend zu Gast der Reihe „Über Kunst“ unserer Zeitung, spricht in der gut besuchten Staatsgalerie Stuttgart mit unserem Autor Nikolai B. Forstbauer. Sie lebt in Paris, arbeitet seit 2016 als Professorin an der Kunstakademie in Karlsruhe, wo sie 1974 auch geboren wurde. Jüngst erst erhielt Ulla von Brandenburg für ihren Beitrag zum diesjährigen Sparda-Kunstpreis Kubus im Kunstmuseum Stuttgart (noch bis zum 8. Januar) den mit 20 000 Euro dotierten Kubus-Preis; früher im Jahr schon trug sie in der Staatsgalerie bei zur Ausstellung „Moved by Schlemmer“ und gestaltete zur gleichen Zeit den 3. Aufzug der „Walküre“ an der Oper Stuttgart.

Im Dialog: Ulla von Brandenburg und Nikolai B. Forstbauer, Autor unserer Zeitung Foto: Steffen Schmid

Ulla von Brandenburg – eine künstlerische Nomadin, für die Stuttgart dennoch für gewisse Zeit zu einem festen Bezugspunkt wurde? „Es ist die beste Weise, auf die man in einer Stadt mehrmals ausstellen kann“, sagt Ulla von Brandenburg, „und es ist auch toll, eine Stadt auf diese Art kennenzulernen“ – obschon es sie längst an andere Orte, nach Madrid oder Melbourne, zieht.

Das Pubikum beteiligen

Und in ihrer Wahlheimat Paris? Im Palais de Tokyo zeigte sie 2020 die aufsehenerregende Ausstellung „Le Milieu est bleu“, verhängte das Museum mit farbigen Tüchern, schuf Durchgänge, neue Räume, Welten, brachte, mit der Installation eines Heuhaufens, auch ein Bild des ländlichen Frankreichs ins zentralistische Paris.

„Es gibt verschiedene Kontexte, auf die ich reagieren kann und will“, sagt sie. In Paris war es „die Art-déco-Architektur des Palais“, „die städtische Soziologie“. Nicht minder wichtig für Ulla von Brandenburg ist die Öffnung ihrer Arbeit, die Möglichkeit für ein Publikum, in sie einzutreten, Teil von ihr zu werden, wohlgemerkt „ohne dies zwingend zu müssen“. Von dorther rührt das wachsende Interesse an Bühnenbildern, performativen Elementen, bei einer Künstlerin, die doch betont, ursprünglich vom Bildhaften herzukommen.

Der Reiz des Unwiederholbaren

Aber das Bild, der Film auch, stellen fertige Produkte dar, ihre Veränderung ist abgeschlossen. Aquarelle malt Ulla von Brandenburg mit viel Wasser; sie zeichnet auf fast transparentem Papier, sie wünscht sich, dass ihre Farben verblassen: „Meine Kunst braucht man nicht für immer“, sagt die 48-Jährige, und: „Was die Restauratorinnen überhaupt nicht toll finden, das interessiert mich.“ Nämlich: die Vergänglichkeit des Augenblicks, das Unwiederholbare. „Alles, was live stattfindet, kann sich verändern. Und dort zieht es mich immer mehr hin, auch, weil ich einen ganz anderen Kontakt zum Publikum will“, sagt die Künstlerin. In einem Kunstwerk zu leben, zu schlafen, um seine Rezeption ganz unmittelbar zu erleben – das ist für von Brandenburg durchaus nicht unvorstellbar.

Im Publikum: Opernintendant Viktor Schoner (links), Staatsgaleriedirektorin Christiane Lange (rechts) und Staatsgaleriekuratorin Susanne Kaufmann (Mitte) Foto: Steffen Schmid

In der Stuttgarter Staatsgalerie hat sie Oskar Schlemmers Figurinen für sich entdeckt; sie erinnert daran, dass Schlemmer auch selbst gerne als Clown auftrat. Und über ihre Inszenierung der „Walküre“ sagt sie: „Das Bühnenbild ist irgendwie ein Inneres, das sich öffnet, sodass man sich in einem psychischen, psychologischen Raum findet, auch durch die Farben. Die Musik ist so stark, der Plot unglaublich gut.“

Machtverhältnisse muss man befragen

Was vermittelt Ulla von Brandenburg als Professorin in Karlsruhe? Sie befragt die Machtverhältnisse, innerhalb derer sie dort agiert – und sagt: „Ich möchte die Macht möglichst weit herunterreduzieren.“ Die Vermittlung sehr unterschiedlicher Positionen, die Relativierung der eigenen, spielt für sie auch in diesem Bereich eine große Rolle: „Ich sage zu den Studierenden: Schaut euch auch anderes an, ich habe nur eine Meinung.“

Stipendienvergabe per Los

Eine Konsequenz: Wenn es um die Vergabe von Stipendien geht, lässt Ulla von Brandenburg mittlerweile gerne das Los entscheiden: „Alle, die das wollen, schreiben einen Zettel, und ich ziehe aus dem Hut.“ Wie ein solches Verfahren ankommt bei den Studierenden? „Ich hoffe, die finden das gut. Ich werde es noch erforschen.“

Eines steht für von Brandenburg bereits fest: „Seit der Pandemie stellen die Studierenden öfter die Frage, ob und wie man sich gemeinsam organisieren, in der Gruppe Kunst machen möchte.“ Antworten will sie nicht geben, stattdessen weiter beobachten, fragen, gemeinsam mit den Studierenden.

2023 zurück in Stuttgart

Und zurückkehren, nach Stuttgart: Die Freunde der Staatsgalerie haben Ulla von Brandenburgs „Moved by Schlemmer“-Installation „Maskiert und vor allem – verschwiegen“ angekauft. Im Frühjahr 2023 soll sie als Dauerleihgabe in den Sammlungsräumen zu sehen sein – „im direkten Dialog mit den Figurinen Oskar Schlemmers“.

Und auch im Opernhaus wird die Vielreisende wieder ein und aus gehen – die Oper Stuttgart plant für März eine neuerliche „Ring“-Aufführung – mit Ulla von Brandenburgs Sicht auf den 3. Aufzug der „Walküre“.

Ulla von Brandenburg

Ausbildung
 Ulla von Brandenburg, 1974 geboren, studierte von 1996 bis 1998 Szenografie und Medienkunst an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und von 1998 bis 2004 an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg.

Lehre
 Seit 2016 ist Ulla von Brandenburg Professorin für Kunst und Malerei an der Kunstakademie in Karlsruhe.