Ulrich Tukur und seine Band, die Rhythmusboys, sind im Stuttgarter Theaterhaus aufgetreten. Diesmal gab es weniger deutsche Musik, dafür mehr aus den USA. „Let’s misbehave“ heißt das Programm zwanzigjährigen Bestehen.

Stuttgart - Nach Konzerten im Sommer befinden sich Ulrich Tukur und seine Rhythmus Boys seit Anfang Oktober mit neuem Programm auf ihrer großen Jubiläumstour zum zwanzigjährigen Bestehen der Band. Am Samstagabend gastierten die vier Musiker im annähernd ausverkauften großen Saal des Theaterhauses. Nachdem das Quartett in der Vergangenheit vornehmlich mit einer nostalgischen, aber hingebungsvoll exekutierten Archäologie deutschsprachiger Jazz-Schlager der dreißiger und vierziger Jahre von Friedrich Hollaender, Franz Grothe, Peter Kreuder und Ralph Maria Siegel reüssierte, weitet das neue Programm den Blick.

 

„Let’s misbehave“ ist einerseits eine Verbeugung vor der Kunst von Cole Porter, Irving Berlin, George und Ira Gershwin und Hoagy Carmichael, andererseits ein Freibrief für allerlei unkorrekten Schabernack und gekonnt grenzwertige Nachlässigkeit in der Bühnenpräsentation. Als leicht schmieriger, aber dafür souverän mehrsprachig agierender Conférencier, Pianist, Akkordeonist und Sänger hielt Ulrich Tukur das Verhältnis von Musik und funkelnd selbstironischen Ansagen in etwa im Gleichgewicht, unterspielte Pointen oder verlor gleich ganz den Faden. Geistreiche Unterhaltung für Bildungsbürger, garniert mit Lyrik von Goethe und Stolberg.

Frivole Gedanken zu Sex im Altersheim

Gespielt wurden bekannte Standards wie „Puttin’ on the Ritz“, „Begin the Beguine“ oder auch „Georgia on my Mind“ in teilweise originellen neuen Arrangements für die konventionelle Quartettbesetzung mit Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug, bereichert von Tukur um wahre oder zumindest hinreißend erfundene biografische Anekdoten aus einer Zeit, als noch ein direkter Weg vom osteuropäischen Schtetl zum Broadway führte. Die Rhythmus Boys, selbst nicht mehr die Jüngsten, präsentierten mit Hingabe ganz alte Songs für ein alterndes Publikum, weshalb es passte, dass Tukur frivole Gedanken zu Demenz und Sex im Altersheim einfließen ließ. Aus dem Rahmen fiel eine Techno-Kraftwerk-Persiflage mit dem Fink-Song „Fliegen“: sie blieb ein zu aufwendig inszenierter Fremdkörper für eine matte Pointe.

Weil Tukurs Band besser spielt als sie aussieht und umgekehrt, darf sie sich nicht wundern, vom Chef vorgeführt zu werden, verkleidet als liebestolle Fliege im Ballettröckchen, als singende Miss Piggy („I can’t give you anything but Love“) oder als kopfloser Bassist, der zu Step- und Bauchtanz-Einlagen gezwungen wird. Zum Ende hin erinnerte man dann mit einer stimmungsvollen Verbeugung vor Will Glahé („Von acht bis um acht“) und dem unvermeidlichen „La Paloma“ an ältere Programme, bevor man eilfertig den nunmehr unnachgiebig eingeforderten Zugabewünschen des ausgelassen beste subversive Unterhaltung feiernden Publikums nachkam.