Am vergangenen Fußballwochende hat es keinerlei Ausschreitungen gegeben. Trotzdem stehen die Ultragruppierungen weiter im Fokus der Kritik.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)
Stuttgart - Es ist ein ruhiges Fußballwochenende gewesen. Keine Ausschreitungen. Keine bengalischen Feuer. Die vermeintlich außer Kontrolle geratenen Kurven waren friedlich, aber sie sind nach den Vorkommnissen zuletzt in und um die Stadien weiter ein Thema. Runde Tische soll es geben, die Innenminister wollen miteinander sprechen. Und so weiter. Die Kurvendiskussion geht weiter.

An diesem Abend arbeitet die Kurve. Am Tresen in der ehemaligen Kneipe in Cannstatt sitzen vier junge Männer vor Laptops. Auf dem Flachbildschirm an der Wand laufen schwarz-weiß Aufnahmen eines VfB-Spiels von anno dazumal. Sie sichten Material für eine Choreografie. Die Geschichte der Cannstatter Kurve wollen sie rekonstruieren, der betongewordenen Heimat der VfB-Fans die letzte Ehre erweisen, wenn sie nach dieser Saison abgerissen wird. "Eine Reminiszenz", sagt der Sprecher Oliver Schaal, soll es werden. Das Commando Cannstatt ist die größte Stuttgarter Ultra-Vereinigung, wie keine andere Gruppierung prägt sie das Gesicht der Kurve.

Auf die Ultras kaprizieren sich viele Debatten in diesen Tagen, in denen Hooligans schon seit langem aus den Stadien verschwunden sind. Die Ultra-Bewegung hat ihren Ursprung in Italien. Ultra bedeutet so viel wie "darüber hinaus" und ist der Sammelbegriff für Gruppierungen "fanatischer" Fans, deren Ziel es ist, ihren Verein immer und überall zu unterstützen. Die Ultras aus Genua und Turin gelten als die Ersten. Mit großen Choreografien und dem Einsatz von Pyrotechnik unterschieden sie sich von den bis dahin bekannten Fangruppen. In Italien nehmen die Ultras teils massiven Einfluss auf die Vereinspolitik, sie haben Fanshops und sind gefürchtet für ihr radikales, teils brutales Vorgehen. Von Italien aus eroberte die Bewegung Europa, in Deutschland gewinnt die Bewegung Mitte der 90er Jahre an Zulauf.

Ultras stehen dem eigenen Verein auch kritisch gegenüber


Vor allem auf Jugendliche üben die Ultras eine Faszination aus, der Kern der Ultras ist zwischen 18 und 25 Jahren alt. Ultras verstehen sich als so etwas wie die Avantgarde unter den Anhängern. Uneingeschränkte Liebe zum Verein ist ihr Fundament, vielfach bestehen die Gruppen aus sogenannten Allesfahrern, Fans also, die ihren Club von entlegenen Auswärtsspielen über Freundschaftpartien bis hin zu Trainingslagern begleiten.