Das Besigheimer Amtsgericht platzt aus allen Nähten, und zum Jahreswechsel kommen noch mehr Mitarbeiter dazu. Deshalb wird renoviert, saniert, umgezogen – und eventuell auch ganz neu gebaut.

Besigheim - Wenn Volker Bißmaier derzeit an seinen Schreibtisch sitzen will, muss er auf dem Weg dahin einigen Hindernissen ausweichen. Im Erdgeschoss wird an einem sonnigen Montag gepinselt, im ersten Stock gebohrt, direkt vor dem Büro des Besigheimer Amtsgerichtsdirektors verlegt ein Handwerker elektrische Leitungen. Es riecht nach Gips und frischer Farbe. Zwischen den Mitarbeitern und den Monteuren sitzen die Besucher des Amtsgerichts – schließlich wird mitten in der Baustelle auch noch geurteilt.

 

„Es wird in den Sitzungssälen gearbeitet, wo gerade nicht gebaut wird“, sagt Bißmaier. Für rund 800 000 Euro lässt das Land sein Haus in diesem Jahr auf Vordermann bringen: Neue Leitungen, neuer Boden, und vor allem ein besserer Brandschutz. Das Gebäude mitten in der pittoresken Altstadt stammt aus dem 15. Jahrhundert, weshalb es praktisch immer etwas zu tun gibt. Das, was gerade gemacht wird, ist aber die größte Baustelle sei Langem, bis in den Oktober hinein werden die Handwerker vermutlich bleiben.

Die Richter in Besigheim haben gut zu tun

Doch die Substanz des denkmalgeschützten Gerichtsgebäudes ist nicht die einzige Herausforderung für Volker Bißmaier: Ihn beschäftigt auch die Platznot. 40 Mitarbeiter arbeiten an vier Standorten in der Stadt, 15 neue Kollegen kommen im Januar auf einen Schlag dazu. Durch eine Reform werden die bestehenden württembergischen Notariate aufgelöst und den Amtsgerichten zugeschlagen. Ein Zuschlag, den Bißmaier in seinem Haus aber gar nicht verkraften kann: Es gibt schlichtweg zu wenig Büros. Deshalb entsteht von Anfang 2018 an die nächste Baustelle, nur ein paar Altstadtgassen-Meter weiter: Im ehemaligen Oberamtsgebäude werden die Notare, das Betreuungs- und das Nachlassgericht künftig Platz finden.

Bis die mehreren Hundert Quadratmeter in dem imposanten Altbau bezogen werden können, vergehen aber noch fast zwei Jahre. Benötigt werden für die Sanierung mehr als vier Millionen Euro. Solange arbeiten die Notare in Bürocontainern, die sich in der Talstraße stapeln. „Die Lösung ist sicher nicht ideal, aber nur übergangsweise“, sagt Bißmaier. 2019, so hofft er, sei das frisch sanierte Gebäude bezugsfertig.

Folgt der Sanierung ein Neubau?

Besigheim hat zwar eines der kleineren Amtsgerichte, in Familiensachen ist es allerdings auch für die Bezirke Vaihingen und Marbach mit zuständig – und damit für rund 260 000 Einwohner des Landkreises Ludwigsburg. Es sei deshalb „gut zu tun“, meint der Direktor. Mittelfristig spielt er mit dem Gedanken eines dritten, ungleich größeren Bauprojekts: Einem eigenen Gebäude für die Sitzungssäle. Bislang sind der öffentliche Bereich im Amtsgericht und die Büros der Richter und Justizmitarbeiter nicht getrennt – wobei das dringend notwendig wäre, gerade für die Verhandlungen der Strafrichter. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß, dass in dem denkmalgeschützten Gerichtshaus ein wirklich barrierefreier Saal fehlt, man muss sich mit einer mobilen Rampe aushelfen. Die Landespolitik sieht das ähnlich. Es gehe um eine langfristige Standortsicherung, meinten die beiden Abgeordneten Fabian Gramling (CDU) und Daniel Renkonen (Grüne), die vor wenigen Wochen mit dem Justizminister Guido Wolf in Besigheim waren.

Die Pläne für einen kompletten Neubau mit vier Sitzungssälen sind gleichwohl noch ganz am Anfang. Recht klar ist bislang nur, wo das Haus einmal stehen könnte: Auf dem Parkplatz direkt neben dem Oberamtsgebäude, denn das Gelände gehört bereits dem Land. Zwar ist der Neubau bislang auf positive Resonanz gestoßen, auch bei der Besigheimer Stadtverwaltung. Trotzdem sagt Volker Bißmaier: „Es ist kein Thema für heute oder morgen, aber wir werben weiter.“

Die Notariatsreform und ihre Auswirkungen

Im Land gibt es aus historischen Gründen bislang Notare im Landesdienst, dazu hauptberufliche Notare und Anwaltsnotare. Das ist bundesweit einmalig – und wird 2018 abgeschafft. Alle staatlichen Notariate werden aufgelöst, wobei die dort bisher bestehenden gerichtlichen Zuständigkeiten auf die Amtsgerichte übergehen. Die hauptberuflichen Notare arbeiten künftig auf eigenes wirtschaftliches Risiko und eigene Rechnung , tragen also alle Personal- und Sachkosten ihres Notariats.

Anders als in Besigheim führt die Umstellung in der Kreisstadt nicht zu Platzproblemen. Die rund 25 Mitarbeiter des bestehenden Notariats in der Schillerstraße werden zwar dem Amtsgericht zugeschlagen, laut dem Direktor Michael Stauß können sie aber an ihrer bisherigen Anschrift bleiben: Das Gericht übernimmt die bestehenden Büros, die derzeit renoviert werden.