Viele Parlamentarier stöhnen schon lange über das ewige Kunstlicht während der Plenartage. Sie wünschen sich ein Glasdach im Landtag. Genau diesen Wunsch stellen die auserwählten Architekten aber nun in Frage.

Stuttgart - Lange schon sehnen sich zahlreiche Abgeordnete des baden-württembergischen Landtags nach etwas Tageslicht in ihrem Plenarsaal. Seit mehr als einem halben Jahrhundert sitzen sie da: Generationen von Parlamentariern, die gewichtige Gesetze ausbrüten, geistvollen Reden lauschen und sich gelegentlich in launigen Zwischenrufen verlieren. Leicht fällt ihnen das alles nicht, gelangt doch kein Sonnenstrahl in das Innere des 1961 eröffneten Landtagsgebäudes. Ein Zustand, der vielen verdienten Volksvertretern das Gemüt verdunkelt.

 

Nun aber schien endlich Besserung in Sicht. Im März beschloss das Landtagspräsidium, den Parlamentssitz nicht nur der dringend erforderlichen technischen und energetischen Modernisierung zuzuführen, sondern auch mit Tageslicht auszustatten – in Form von Glaswänden oder Bullaugen in der Decke. Zwischen 30 und 41 Millionen Euro soll das kosten.

Architekten stellen die Grundsatzfrage: muss der Umbau sein?

Umso erstaunter reagierte das Präsidium indes in der vergangenen Woche, als es von den Stellungnahmen der nach einer europaweiten Ausschreibung für das Projekt in Aussicht genommenen Architekturbüros erfuhr. Landtagsdirektor Hubert Wicker berichtete dem Gremium, vier der fünf Architektenbüros hätten die doch sehr grundsätzliche Frage aufgeworfen, warum überhaupt der Plenarsaal umgebaut werden solle – und nicht so bleibe, wie er einst konzipiert worden sei. Schließlich stelle das Gebäude ein Gesamtkunstwerk dar, das als typisch für die fünfziger und sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gelten könne. In seinem Äußeren zeige das Gebäude Transparenz, während der Plenarsaal in der Mitte als Raum der Konzentration anzusehen sei. Wicker fügte hinzu, es sei nicht auszuschließen, dass in der architektonischen Fachwelt nun eine Debatte anhebe, ob ein derart stimmiges Gesamtkunstwerk zerstört werden dürfe.

Im Landtagspräsidium stießen die Bedenken der Architekten auf Erbitterung. Tenor: Diese sollen so planen, wie man ihnen gebiete. Der CDU-Mann Helmut Rüeck stellte die ausgewählten Büros zur Disposition, sollten sie den Ausschreibungstext nicht erfüllen wollen. Ein privater Bauherr, so Rüecks Einlassung, würde Architekten, welche die Vorgaben nicht einhielten, sofort den Auftrag entziehen. FDP-Fraktionschef Rülke schloss sich diesen Einsichten an. CDU-Fraktionschef Peter Hauk erkannte in den Äußerungen der Architekten eine Beleidigung des Landtags und der Abgeordneten. Dies gelte etwa für die – womöglich süffisant gemeinte! – Rückfrage der Architekten, ob sich die Qualität der Arbeit des Parlaments durch einen Tageslichteinfall verbessere – und ob die Idee vom Tageslichtbezug im Plenarsaal nicht eine zeitgeistige Erfindung sei.

Landtagspräsident: Keine Beleidigungen von den Architekten

Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) hielt eine neue Ausschreibung für nicht opportun, zumal das Finanzministerium darauf hinwies, dass die Auswahl der Architekten in einem formstrengen Verfahren erfolgt sei. Landtagsvizepräsident Drexler (SPD) schlug vor, jetzt doch erst einmal die Planungsvorschläge der Architekten abzuwarten. Präsident Wolf stimmte zu, merkte jedoch an, es gebe keinen Grund, sich von den Architekten beleidigen zu lassen. Notfalls müsse man ihnen Grenzen aufzeigen.

Gestern trommelte Landtagspräsident Wolf seine Stellvertreter und die Fraktionschefs zu einer weiteren Sitzung zusammen, um die Reihen zu schließen – was auch gelang. Alle vier Fraktionen bekannten sich zum Projekt Tageslicht.